Warum ich den Appell gegen Prostitution der EMMA und von Alice Schwarzer ablehne.

Foto , CC BY-NC-SA 2.0 , by Kaytee Riek

Dies ist ein Beitrag aus unserer Rubrik kleinergast, in der wir alle Gastartikel veröffentlichen. Dieses Mal kommt er von Sonja.

Sonja Dolinsek ist Gründerin des Online-Magazins „menschenhandel heute“, schreibt dort über Menschenhandel, aber auch über Sexarbeit, und forscht zur Wissensgeschichte der Prostitution im 20. Jahrhundert.

„menschenhandel heute“ ist entstanden aus einer studentischen Lehrveranstaltung an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ziel ist es die öffentliche Debatte um Menschenhandel und verwandten Themen, wie z.B.Migration und Sexarbeit, kritisch zu begleiten.

sonjadolinsek.net @sonjdol @traffiknews_de

90 Prominente aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft haben Alice Schwarzers Appell gegen Prostitution unterzeichnet. Am 7. November 2013 erscheint Alice Schwarzers neues Buch „Prostitution – Ein deutscher Skandal. Wie konnten wir zum Paradies der Frauenhändler werden?“ Weder das Buch, die ausgezeichnet geplante PR-Kampagne oder die Unterschriften der Prominenten machen die Forderungen und Argumente im Appell sinnvoller.

Prostitution ist keine Sklaverei

Die Beschreibung von Prostitution als Sklaverei oder „Weiße Sklaverei“ verharmlosen die Sklaverei und ihre Geschichte. Sklaverei ist – äußerst verkürzt gesagt – eine rechtliche und gesellschaftliche Institution, die vererbt wird, in der die Menschlichkeit der Personen negiert wird und in der die versklavten Menschen Eigentum einer anderen Person sind. Rein rechtlich gesehen gibt es diese Sklaverei heute nicht mehr und in diesem Sinne wurde sie auch abgeschafft. Auf ähnliche Weise, so die Forderung im Appell, sollte nun die Prostitution abgeschafft werden – indem sie verboten wird. So einfach ist das aber nicht.

Die Geschichte der Sklaverei ist vielfältig, kompliziert und sie ist mit der Geschichte des Kapitalismus, der westlichen Überlegenheit, des Kolonialismus, des Rassismus und noch vielen anderen Aspekten verknüpft. Blickt man mit der Gender-Brille auf die Sklaverei, sieht man nun auch die oft vergessenen Erfahrungen versklavter Frauen und das Bild wird noch komplexer. Darauf komme ich aber später nochmal zurück.

Auch die Rede von „moderner Sklaverei“, also von Praktiken der Ausbeutung, Entrechtung und des Freiheitsentzugs, erfordert eine äußerst differenzierte Herangehensweise, die historische, rechtliche, sozio-ökonomische Perspektiven mit einbezieht. Nicht zuletzt müsste – konsequenterweise – auch eine feministische Position die ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse in der globalen Ökonomie mit in die eigenen Forderungen einbeziehen. Aber soziale und ökonomische Misstände an anderen Orten, von denen wir weißen, westlichen und wohlhabenden Menschen (dazu gehört auch Frau Schwarzer) tagtäglich profitieren, wenn wir irgendwo irgendetwas einkaufen, werden in dem Appell nicht thematisiert. Schade, denn hier wäre der Begriff „moderne Sklaverei“ zwar immer noch schwierig (ich verwende ihn lieber gar nicht), aber vielleicht etwas treffender.

Da Prostitution und Sklaverei weder identisch noch vergleichbar sind, fördert Deutschland auch keine „moderne Sklaverei“, zumindest nicht in dieser Form. Die Frage, inwiefern Menschenhandel und Ausbeutung durch strukturelle Mechanismen gefördert wird, ist berechtigt, aber Alice Schwarzers Antwort darauf halte ich für falsch und kontraproduktiv.

Prostitution ist auch keine „Weiße Sklaverei“

Der schon lange tote Begriff „white slavery“, den Alice Schwarzer ausgegraben hat, ist ein früherer Begriff für Mädchenhandel bzw. Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Er wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch verschiedene Organisationen aufgenommen, die sich aus verschiedenen Gründen und mit verschiedenen Motiven gegen Prostitution positionierten. Nicht nur feministische sondern auch (sexual-)moralische, sozialhygienische und eugenische Motive spielten hier eine Rolle. Einig waren sich alle, dass, nachdem in vielen Ländern die Sklaverei vorrangig schwarzer Menschen abgeschafft wurde, nun auch die Sklaverei der weißen Frau – die Prostitution – aus der Welt sollte.

Die Beschreibung der Prostitution als „Weiße Sklaverei“ ist vor allem, aber nicht nur,  im Kontext der Geschichte der USA und anderen Ländern eine Verharmlosung der Erfahrungen der schwarzen Frauen in und nach der Sklaverei. Mit dem Begriff der „weißen Sklaverei“ wird ihre sexuelle Ausbeutung unsichtbar. Die Verletzung ihrer sexuellen Selbstbestimmung (sexueller Missbrauch) und der reproduktiven Rechte (erzwungene Schwangerschaft, um versklavte Kinder zu gebären) nicht nur vor, sondern auch nach der Abschaffung der Sklaverei, wird ausgeklammert. Im Versuch einer rassistischen Hierarchisierung von „Opfern“ erscheinen diese Erfahrungen als inexistent oder einfach bedeutungslos. Auch die Erfahrung von schwarzen Frauen als Prostituierte in den USA der Jahrhundertwende oder auch heute, werden damit völlig ausgeblendet. Schließlich sollten nur „weiße“ Frauen gerettet werden.

Die Britin Josephine Butler zählt zu den Vorreiterinnen der ersten Frauenbewegung gegen Prostitution. Sie wollte – wie die feministische Autorin Kathleen Barry schrieb – zwar die staatliche Regulierung der Prostitution abschaffen, jedoch nicht die Prostitution per se. Ihr Ziel war es, Prostituierte vom willkürlichen Zugriff und der Kontrolle des Staates zu befreien durch die Abschaffung staatlich lizensierter Bordelle, der polizeilichen Registrierung von Prostituierten (womit sie keine Ausweitung der polizeilichen Befugnisse forderte, sondern deren Einschränkung) sowie Zwangsuntersuchungen, um die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten zu reduzieren. Sie griff die Doppelmoral der Gesellschaft an, die Prostituierte ächtete, während der Staat und die Gesellschaft – Männer als Kunden und sogenannte weiße, ehrbare Frauen als Verkörperung der idealen Frau – davon profitierten.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es erste internationale Abkommen gegen die sogenannte „Weiße Sklaverei“, wonach weiße, europäische Frauen ins Ausland gelockt und zur Prostitution gezwungen würden (1904, 19101921, 1933  und 1949). Diese Abkommen dienten, ebenso wie heute, vor allem dazu die Migration von jungen, alleinstehenden (sprich „single“ und unverheirateten) Frauen zu verhindern. Warum sollten denn alleinstehende Frauen schon migrieren und wie sollten sie ihren Lebensunterhalt finanzieren? Die Grenzbeamten hatten darauf meist eine klare Antwort: Es handelte sich um Prostituierte, die wegen ihrer Herkunft und ihrer höchstwahrscheinlichen sexuellen Freizügigkeit an der Einreise gehindert werden sollten.

Entgegen der Rhetorik der „weißen Sklaverei“ waren es jedoch keine „weißen“ Frauen (worunter damals vor allem deutsche, britische, niederländische und französische Frauen gezählt wurden) sondern Frauen aus den unterschiedlichsten Emigrationsländern, wie Italien, Ländern des heutigen Osteuropas, Mexiko oder China. Damals wie heute diente der Mädchen- und Menschenhandelsdiskurs der Legitimierung von Migrationsrestriktionen gegenüber unerwünschten Migrierenden. Und damals wie heute ging mit dem Kampf gegen Mädchenhandel die Zunahme von Migrationsrestriktionen einher. Kaum eine historische Studie konnte bisher nachweisen, dass das Ausmaß des Mädchenhandels so groß war, wie seinerzeit vermutet. Bis heute konnte noch keine offizielle Statistik die Schätzungen der inzwischen reich gewordenen „Rettungsindustrie“ bestätigen. Daher sprechen Historiker_innen von „white slavery“ als „moralische Panik“ – zu Recht.

Spätestens wenn Frau Schwarzer von „deutschstämmigen Prostituierten“ spricht und sie von den „Ausländerinnen aus der Armuts- und Zwangsprostitution“ (seit wann ist das ein Land?) abgrenzt, wird deutlich, wie sehr auch sie diesem Denken verhaftet ist. Sucht man nach weiteren Kommentaren und Äußerungen zum Appell gegen Prostitution, wird man schnell fündig. Die Chef-Redakteurin des evangelischen Online-Magazins Chrismon Ursula Ott sieht z.B. in den „offenen Grenzen“ die Ursache des Problems (der Prostitution oder des Menschenhandels? Es bleibt unklar). Abgesehen davon, dass nur innerhalb des Schengen-Raums (wozu Rumänien und Bulgarien – den Herkunftsländern der meisten Betroffenen von Menschenhandel –  noch nicht gehören) die Grenzen offen sind, wird hier deutlich, wie es nicht nur um die Disziplinierung von Sexualität ausländischer Frauen geht, sondern auch um die Kontrolle ihrer Migration. Die „weißen“ Frauen, die eigentlich geschützt werden sollen, sind die deutschen Ehefrauen, deren Ehemänner die Dienste dieser unerwünschten, gehassten Frauen in Anspruch nehmen. So ist z.B. auch im neuen Buch von Alice Schwarzer der Satz des ehemaligen Prostituiertenkunden Herrn Braun zu lesen, dass „ein Hass darauf da [ist], dass Frauen so was machen und damit Familien kaputt machen“. Der Hass ist gegen die Prostituierten gerichtet. Geschützt werden soll die deutsche Familie.

„Prävention in den Herkunftsländern“ meint nämlich genau das: Frauen sollen erst gar nicht ausreisen, erst gar nicht in „unser“ Land kommen. Prävention ist hier Synonym zu „von der Migration abhalten“ und ist nicht ganz frei von fremdenfeindlichem Paternalismus. Frau Ott wünscht sich tatsächlich auch, dass Prostitution ganz allgemein illegal sein sollte. Zählt man beide Punkte zusammen, dann erhält man einen Cocktail aus Abschaffung offener Grenzen, Zunahme von Grenzkontrollen und damit doppelte Kriminalisierung von Migrantinnen in der Prostitution (als Prostituierte und Migrantin). Wenn Frau Schwarzer von „Weißer Sklaverei“ spricht, weist sie – ohne es zu wollen – auf Mechanismen hin, die schon vor 100 Jahren die Migration von Frauen und damit ihre Selbstbestimmung über ihre Sexualität und Bewegungsfreiheit zu verfügen, auch über Grenzen hinweg, eingeschränkt haben. Doch anstatt diese kritisch zu betrachten, nimmt sie den Begriff ohne weitere Erklärung auf und reproduziert die gleichen Mechanismen. 

Zwangs- und Armutsprostitution?

Neuerdings wird auch häufiger von „Zwangs- und Armutsprostitution“ aus Osteuropa in einem Atemzug gesprochen. Zwang und Armut werden damit in einen Topf geworfen. Über die Frage, was „Zwang“ ist, könnte man lange Diskussionen führen und sehr komplizierte, ausführliche Abhandlungen schreiben. Sozialwissenschaftler_innen beschäftigen sich seit langem mit der Frage nach dem Verhältnis von Struktur und Handeln (structure vs. agency: Hier eine Erläuterung als Text oder Video). Was bestimmt die Gesellschaft und wie kann sich eine Gesellschaft verändern? Wie frei sind Menschen in der Gesellschaft und inwiefern können sie frei in dieser Gesellschaft handeln? Inwiefern prägen gesellschaftliche, kaum veränderbare und beeinflussbare strukturelle Faktoren (darunter Ökonomie, Politik, Sprache, Geschlecht, der sozio-ökonomische Status, die eigene Herkunft und Staatsbürgerschaft sowie ethnische Zugehörigkeit, die eigene intellektuelle Begabung, die eigene Familie, usw.) das Leben jedes einzelnen Menschen und welcher Spielraum bleibt für jedes einzelne Individuum noch übrig?

Im Kontext dieser Debatte unterscheiden sich Sexarbeiter_innen und die strukturellen, gesellschaftlichen Zwänge, die auf sie einwirken, nicht wesentlich von anderen Menschen. Wir alle leben in der gleichen Gesellschaft und niemand kann wirklich frei und selbstbestimmt leben, denn die Strukturen, in denen wir leben, haben wir weder gewählt noch können wir sie nach Belieben verändern. Wir alle müssen mit diesem Zwang klarkommen, wir alle sind in diesem Sinne fremdbestimmt.

Armut gehört zu diesen strukturellen Zwängen, die – so weit ich es überblicken kann – Menschen bisher zwar verursacht haben und weiterhin verursachen, aber noch nicht abschaffen konnten (oder wollten?). Die Reduzierung von Armut scheint selbst in privilegierten Ländern wie Deutschland und in Europa an den strukturellen Zwängen von Politik, Wirtschaft und Macht zu scheitern. Dennoch scheint Alice Schwarzer zu glauben (in einer Haltung, die ich nur mit dem Begriff der „Naivität“ für mich sinnvoll fassen kann), dass ein Verbot der Prostitution die Armut in der „Armutsprostitution“ aus der Welt schaffen würde. Ohne Prostitution gibt es keine Armut und Armutsprostitution mehr, das scheint die Logik zu sein. Doch es ist naiv zu glauben, dass strukturelle Zwänge, wie z.B. Armut und die damit einhergehende prekäre Lebenssituation, durch Verbote abgeschafft werden können.

Sie scheint auch zu glauben, dass die weibliche Altersarmut mehr mit dem System der Prostitution zu tun hat, als mit anderen strukturellen Faktoren, die gerade Vertreter_innen jener Parteien, die ihren Appell unterstützen, weiterhin fördern und eindeutig bejahen: Das Betreuungsgeld, das Ehegattensplitting, die strukturelle Erschwerung von einer existenzsichernden Erwerbstätigkeit für Mütter (insbesondere den alleinstehenden unter ihnen), der Gender-Pay-Gap, um nur einige davon zu nennen. Ja, Frau Schwarzer, die Altersarmut mag sicherlich Sexarbeiter_innen genauso stark oder stärker treffen als andere Frauen, aber die Ursache davon ist nicht die Sexarbeit sondern ein Sozialsystem, das Frauen grundsätzlich benachteiligt. Diese Benachteiligung sollten Sie ansprechen, tun es aber nicht. Schließlich ist Ihr Appell an die CDU gerichtet (die hat die Macht) und unbequeme Themen spricht man lieber nicht an.

„Zwang“ hat im Kontext von Menschenhandel eine andere Bedeutung, denn es handelt sich um eine sehr konkrete Instanz von Zwang, die in der Regel von einem ebenfalls konkreten Individuum, einem Menschen, ausgeübt wird. Individuen können identifiziert und bestraft werden, wenn sie die Selbstbestimmung auf dem Gebiet der Freiheit, Sexualität usw. einschränken. Das scheint aber nur nebenbei der Zwang zu sein, den Schwarzer anspricht. Schließlich ist dieser Zwang ja auch schon kriminalisiert.

Zu den Forderungen

Die Forderungen mögen in den Augen und Ohren vieler Menschen und gerade denen der Unterzeichner_innen vernünftig klingen. Doch alles andere ist der Fall.

„Eine Gesetzesänderung, die der Deregulierung von Frauenhandel und Prostitution schnellstmöglich Einhalt gebietet und die Frauen sowie die Minderheit männlicher Prostituierter schützt.“

Frau Schwarzer will sowohl Prostitution als auch Frauenhandel regulieren, da sie der „Deregulierung“ „Einhalt gebieten will“ und „Regulierung“ eben das Gegenteil von Deregulierung ist. Was damit konkret gemeint ist, wird im Appell nicht definiert, so dass die Unterzeichner_innen gar nicht wissen, was darunter zu verstehen ist bzw. sich selbst etwas ausmalen können, was aber im Zweifelsfall gar nicht zutrifft.

Eindeutig falsch ist, dass beide Gebiete aktuell „dereguliert“ seien, da es sich um einen extrem regulierten Bereich handelt. Sexarbeit ist zwar legal, sie ist aber sehr deutlich und mit einem repressiven Touch reguliert (z.B. Sperrbezirke) und oft sind die Prostituierten selbst kriminalisiert. Frauen- und Menschenhandel sind nach §232 StGB schon verboten, also ebenfalls reguliert.

Dereguliert ist die Sexarbeit nur insofern, als dass es keine klaren Kriterien gibt, die „schlechte  Arbeitsbedingungen“ definieren. Denn neben dem Straftatbestand des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung gibt es, wie in anderen Branchen auch, eine Unmenge an arbeitsrechtlichen Verstößen. Diese sind in der Prostitution aber nicht definiert und es gibt auch keine Behörde, außer der Polizei, die für die Kontrolle der Arbeitsbedingungen zuständig ist. Die Polizei kontrolliert aber keine Arbeitsbedingungen sondern nur Papiere. Das ist ein Manko, an dem etwas geändert werden sollte, aber weder die SPD oder die CDU noch Frau Schwarzer scheinen in diese Richtung zu gehen. Frau Schwarzer will Prostitution abschaffen und nicht die Arbeitsbedingungen der Prostituierten verbessern.

„Prävention in Deutschland und in den Herkunftsländern, sowie Hilfen zum Ausstieg für Frauen in der Prostitution. Und Schutz vor Abschiebung von Zeuginnen sowie deren Aufenthaltsrecht.“

Prävention im Bereich Menschenhandel bedeutet meistens, dass Frauen erst gar nicht aus ihrem Land ausreisen sollen, um ihrem Traum eines besseren Lebens in Deutschland nachzugehen. Sie werden in ihrem Heimatland durch teure Kampagnen der Internationalen Organisation für Migration zurückgehalten. Wenn die Frauen da bleiben und auf ihre Migration verzichten, haben sie der Externalisierung von Migrationskontrollen und –management in die Hände gespielt und der Abwehr von Migration einen Erfolg gesichert. Das alles, obwohl die Ausreise aus dem eigenen Land ein Menschenrecht ist.

Gefordert wird auch die Beibehaltung des bisher größten Hindernisses in Strafprozessen, nämlich dass nur Opfer von Menschenhandel, die in einem Prozess aussagen, einen Aufenthaltstitel erhalten. Das ist streng genommen auch jetzt schon so und da über die Dauer des Aufenthaltstitels im Appell nichts gesagt wird, kann man davon ausgehen, dass es auch nicht vom aktuellen Stand abweicht.
Gefordert wird kein Daueraufenthalt, keine Entschädigungen. Mit Blick auf Betroffene von Menschenhandel wird nur das gefordert, was aktuell schon seit langem der Fall ist. Ihnen hilft der Appell also gar nicht – obwohl genau an dieser Stelle am meisten getan werden sollte.

„Aufklärung über die Folgen von Frauenkauf bereits in den Schulen etc.“

Das ist einer der schlimmsten Sätze im Forderungskatalog. Was heißt 1) Frauenkauf (Sklaverei ist in Deutschland verboten und Frauen kann man nicht kaufen) und was sind die „Folgen von Frauenkauf“? Und was und wie soll den Schüler_innen vermittelt werden? Das Bild einer monogamen heterosexuellen Beziehung ohne Sex vor der Ehe? Ich weiß ehrlich nicht, was hier gemeint sein soll. Wissen es die vielen Unterzeichner_innen?

„Ächtung und, wenn nötig, auch Bestrafung der Freier; also der Frauenkäufer, ohne die dieser Menschenmarkt nicht existieren würde.“

Schwarzer setzt sich nur zurückhaltend für das „schwedische Modell“ der Freierbestrafung ein. Denn nur „wenn nötig“ sollen die Freier bestraft werden. Aber wann ist es nötig? Die Unterzeichner_innen glauben vermutlich sich mit dem Appell für das Schwedische Modell ausgesprochen zu haben. Aber, so schwammig wie dieser Satz hier steht, ist das eher nicht der Fall.

„Maßnahmen, die kurzfristig zur Eindämmung und langfristig zur Abschaffung des Systems Prostitution führen.“

Wenn nicht, oder nur falls „nötig“, der Freier bestraft werden soll, welche „Maßnahmen, die kurzfristig zur Eindämmung und langfristig zur Abschaffung des Systems Prostitution führen“ sind noch übrig? Es kann sich nur um die Kriminalisierung der Prostituierten handeln, also um das amerikanische Verbots-Modell (auch Prohibitionismus genannt). Dort werden in der Tat jährlich über 60.000 Prostituierte verhaftet und bestraft. Nach der Haft finden sie keine Arbeit, müssen zurück in die Prostitution (diesmal in die echte „Armutsprostitution“), dann werden sie wieder verhaftet und das geht lange so weiter.

Langfristig führt auch dieses Modell nicht zu einer Abschaffung der Prostitution sondern nur zur Entrechtung der Prostituierten, die nun – weil sie ja nicht mehr legal anschaffen dürfen – den korrupten und sexuelle gewalttätigen Polizisten, zahlungsunwilligen Freiern und der Ächtung der Gesellschaft ausgesetzt sind. Solche Zustände sollte man wohl kaum als Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit bewerten.

„Ein menschenwürdiges Leben ist denkbar.“

Ja, und ein menschenwürdiges Leben braucht Rechte, Zugang zum Recht und zur Justiz, rechtliche Mechanismen, die wirklich schützen und den „Wert“ (sic!) der Opfer von Menschenhandel nicht davon abhängig machen, ob sie in einem Strafprozess kooperieren. Wenn jeder Mensch zählt, dann zählen auch diejenigen, die sich gegen eine Aussage entscheiden. Auch sie haben eine Menschenwürde, die nicht nur in einer Utopie „denkbar“, sondern auch machbar ist. Den Weg dahin hat Frau Schwarzer allerdings gerade noch etwas steiniger und länger gemacht. Danke für nichts.

Schlusswort

Prostitution bedeutet, dass erwachsene Menschen anderen erwachsenen Menschen sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten. Prostitution ist für diejenigen Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, eine Arbeit bzw. Sexarbeit. Sexarbeiter_innen bieten im Vorfeld meist sehr genau und konkret vereinbarte Dienstleistungen für eine ebenfalls vereinbarte Zeit an. Sexarbeiter_innen sind freie Menschen wie alle anderen Menschen auch – mit ihren Problemen, Schwierigkeiten, aber eben auch mit ihren Freuden. Das ist individuell – wie es bei Menschen nun mal ist. Sexarbeiter_innen gehören auch niemanden, sie haben weder sich, noch ihre Menschenwürde, die ja unveräußerbar ist, verkauft.

Eine Übersicht der Pressebeiträge zu diesem Thema, die ich gut finde, ist hier zu finden.

30 Antworten zu “Warum ich den Appell gegen Prostitution der EMMA und von Alice Schwarzer ablehne.”

  1. grueneGeranie sagt:

    Zu dem Begriff „white slavery“: Auf die weißen deutschen Durchschnittskonservativen dürfte der Begriff außerdem so wirken, als wäre Versklavung von /weißen/ deutlich schlimmer als Versklavung von Schwarzen…
    Zu dem Teil mit der Freierbestrafung „wenn nötig“: Ich würd das genau gegenteilig deuten, Schwarzer ist klar für das Schwedische Modell, verschleiert das hier aber, um sich die Leute, die das Schwedische Modell nicht so gut finden, trotzdem zu einer Unterschrift zu bewegen. Denn „nötig“ ist die Bestrafung bei „Frauenkauf“ immer…

    • Sonja sagt:

      Egal wie man es versteht. Es bleibt vage. ;)

      • ThorstenV sagt:

        Dann ist es vage und das ist sicherlich nicht schön, kann und soll kritisiert werden, aber deswegen kann man nicht hergegen und sagen „Du bist vage, deswegen unterstelle ich dir jetzt einfach was.“. Ein dem schwedischen Modell und einem Nichtstun gibt es ja beliebig viele Zwischenstufen. Man könnte auch über das schwedische Modell noch hinausgehen, etwa drastischere Bestrafungen als dort für Freier vorsehen. „Zu vage“ ist meiner Ansicht nach ein guter Grund, nicht zu unterschreiben, aber kein Grund auf Strohfrauen einzuschlagen.

  2. Kinch sagt:

    Ich bin vielleicht davon beeinflusst, dass ich Inhaltlich dem Artikel vollständig zustimme, aber ich finde ihn großartig. Er bereichert meiner Meinung nach die Diskussion ungemein. Ich habe ihn gerne gelesen und möchte mich dafür bedanken.

    (Eine kleine Kritik dann aber doch: „ins Ausland gelockt gelockt“ das Verb kommt hier zweimal vor^^)

  3. Hannah sagt:

    der Artikel ist prima!
    Danke für den historischen Diskurs und die Strukturierung des Komplexes

  4. Kadda sagt:

    Interessante Analyse, danke dafür – eröffnet einen Raum, für weitere Diskurse.
    Grundsätzlich wehre ich mich dennoch gegen die Behauptung, Sexarbeit sei eine Arbeit wie jede andere. Dazu hat Antje Schrupp Kluges geschrieben, was ich teile.

  5. sanna werth sagt:

    Wenn sklaverei nur dann solche ist, wenn sie vererbt wird, was ist dann mit der ersten generation der sklaven? Beginnt sklaverei nicht bereits mit der Verschleppung eines freien Menschens in die erzwungene Unfreiheit?! Fuer mich persoenlich draengen sich die parallelen zum frauen- u menschenhandel schon auf. Und wer versichert uns, dass der jetzigen generation von menschenhandelsopfern keine folgen werden, sodass wir denken diese parallele zur sklaverei vermeiden zu muessen?

    • Sonja sagt:

      Wie auch in der oben genannten Definition von Menschenhandel enthalten, ist „moderne Sklaverei“ nicht nur Unfreiheit sondern vor allem Ausbeutung, wobei auch da mehrere Elemente vorhanden sein müssen, damit wir überhaupt davon sprechen können. Wir Frau Prasad sagt, wir sollten den Begriff „moderne Sklaverei“ nicht inflationär verwenden und vor allem nicht gegenüber all jenen Phänomenen, die uns empören.

      Das hier dürfte eine ganz gute Sammlung von Beiträgen sein: http://www.3sat.de/page/?source=/scobel/155547/index.html

      Und hier der Link zur Beratungsstelle Ban Ying: http://www.ban-ying.de/modernesklaverei/

  6. Heinrich sagt:

    Ich habe mich mit Prostitution nie tief beschäftigt, empfand den Artikel aber als Bereicherung, da dieses Thema aus einer recht offenen und kaum – der sonst üblich – emotional stark aufgeladenen Perspektive behandelt wird. Besonders gut hat mir die Trennung, oder besser gesagt die Differenzierung der Begriffe Sklaverei und Prostituion gefallen.

    Ich machte mit Prostitution in Österreich eine etwas ungewöhnliche Erfahrung:
    2011 habe ich eine rumänische Familie (Oma, Mann, Frau, Kind) für ein paar Wochen bei mir wohnen lassen. Als ich beim Magistrat in Salzburg anrief, wurde mir mitgeteilt, dass keiner der 3 Erwachsenen , bis auf die volljährige hochschwangere Frau – und diese nur als Prostituierte – in Österreich arbeiten darf. Ich weiß nicht wie die Gesetzeslage heute ist, aber ich muss schon sagen das ich echt schockiert war :(.

    • Sonja sagt:

      Die Gesetzeslage verbietet sehr viel, gerade wenn es um Arbeit von Migrierten geht. Dass dort der eigentliche (oder zumindest ein wichtiger) Kern von Verletzlichkeit und Rechtlosigkeit steckt, interessiert die wenigsten. Denn Migration gilt gesammtgesellschaftlich immer noch als Gefahr, die man abwehren muss.

  7. Dr.echen sagt:

    Bei aller berechtigten Kritik an Frau Schwarzers Appellformulierung – wo bleiben hier eigene Ansätze zum Schutz von Frauen vor Verschleppung und Zwangsprostitution? Zu glauben, Prostitution sei vor allem ein freiwilliger Handel unter Erwachsenen, wäre ja nun nicht nur naiv, sondern stellt genau jene Verharmlosung dar, die jene Versklavung (sic!) lohnenswert macht, wie wir sie nun mal faktisch vorfinden. Eine Prostituierte, die selbstbestimmt agiert und sozial versichert wäre, wäre für die meisten Männer gar nicht zu finanzieren. Am Ende will doch auch keiner wissen, woher das billige Frischfleisch stammt. Freier müssen sozial geächtet werden.

    • Kinch sagt:

      „Eine Prostituierte, die selbstbestimmt agiert und sozial versichert wäre, wäre für die meisten Männer gar nicht zu finanzieren.”

      Das ist interessant. Mich würde die dahinterliegende Rechnung sehr interessieren. Könntest du sie hier bitte veröffentlichen?

    • Sonja sagt:

      Mein Beitrag war eine Kritik und keine Handlungsempfehlung. Vielleicht formuliere ich Ansätze an anderer Stelle. Den Appel für Prostitution habe ich schon lange unterzeichnet.

      Wie gesagt, Prostitution ist keine Versklavung. Wenn Sie nach der Lektüre immer noch andere Meinung sind, kann ich leider nicht weiterhelfen, zumal Sie diese Ansicht ja gerne vertreten können. Wir sind ja in einer Demokratie.

  8. Wildmohnfrau sagt:

    Dieser
    Blog zum Appell von EMMA gegen Prostitution löst in mir kontroverse
    Wahrnehmungen aus. Zum Einen finde ich die Erklärung zu den
    Unterschiedlichkeiten zwischen Sklaverei und Prostitution interessant.
    Doch zum Anderen wirkt auf mich vor allem der letzte Absatz äußerst
    befremdlich:

    „Prostitution
    bedeutet, dass erwachsene Menschen anderen erwachsenen Menschen
    sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten. Prostitution ist für
    diejenigen Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, eine
    Arbeit bzw. Sexarbeit. Sexarbeiter_innen bieten im Vorfeld meist sehr
    genau und konkret vereinbarte Dienstleistungen für eine ebenfalls
    vereinbarte Zeit an. Sexarbeiter_innen sind freie Menschen wie alle
    anderen Menschen auch – mit ihren Problemen, Schwierigkeiten, aber eben
    auch mit ihren Freuden. Das ist individuell – wie es bei Menschen nun
    mal ist. Sexarbeiter_innen gehören auch niemanden, sie haben weder sich,
    noch ihre Menschenwürde, die ja unveräußerbar ist, verkauft.“

    Meiner
    Ansicht nach ist es naiv zu glauben, daß die Prostitution ein
    freiwilliger Handel unter Erwachsenen sei. Ich empfinde das als eine
    Verharmlosung und als ein Verschleiern wollen der Tatsachen, denn daß
    sehr viele der hier im Westen tätigen Prostituierten dies unter Zwang
    tun und dafür aus ihren Heimatländern unter der Vorspiegelung falscher
    Tataschen hierher verschleppt wurden, ist eine Tatsache. Unter diesem Aspekt zu schreiben, daß „Sexarbeiter_innen freie Menschen seien…“ ist für mich nicht nachvollziehbar.

    Ich
    bin für die Bestrafung der Freier. Sie gehören als die Täter
    kriminalisiert und in weiterer Folge auch therapiert. Denn wie ein
    rumänischer Schlepper in einem Interview sagte: „Die deutschen Männer
    sind süchtig, sie sind wie besessen von minderjährigen Mädchen!“
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    • Kinch sagt:

      Aber ist die Menschenhandeln-Problematik nicht eine von der Prostituion losgelöste?

      Als Beispiel: Ich kenne eine Gelegenheitsprostituierte. Wenn sie Zeit und Lust hat, schläft sie an einem Abend mit einem Mann, für — ich glaube — circa 100 Euro. Wer ist daran jetzt unfrei und wieso sollte der Freier bestraft werden? Die Begründung, dass ein rumänischer Schlepper, keine hohe Meinung von deutschen Männer hat, kann man ja schlecht ins STGB aufnehmen.

    • Sonja sagt:

      „Meiner Ansicht nach ist es naiv zu glauben, daß die Prostitution ein
      freiwilliger Handel unter Erwachsenen sei.“

      Dieser Satz wurde identisch schon von Dr.echen gepostet. Was ich glaube, können Sie gerne als naiv einschätzen. Was ich als naif einstufe, haben Sie hoffentlich dem Text entnommen.

      • Wildmohnfrau sagt:

        zitat
        von Bertha Pappenheim zur Freiwilligkeit : „wenn wir den lebenslauf
        dieser frauen kennen , ihre jugend, ihre psyche, dann werden wir
        verstehen, was sie so weit brachte, prostituierte zu werden. dann werden
        wir in vielen fällen zugeben müssen, dass von einer freiwilligkeit im sinne eines freien entschlusses nicht die rede sein kann.“ http://www.frauenmediaturm.de/…/bertha-pappenheim/

        • Sonja sagt:

          Zitate ändern an der Fragwürdigkeit ihrer Forderung und Positution nichts. Das Problem, dass Sie mit den Frauen immer noch nicht gesprochen haben und sie gefragt haben, was sie wollen, haben wir sowieso weiterhin.

  9. Sonja sagt:

    “ Und selbst wenn man „Zwang“ so eindimensional bestimmen will, ist
    zumindest das Ergebnis für mich als Angestellte im öffentlichen Dienst
    doch sehr anders als für Prostituierte.“

    Ja, dem stimme ich zu. Strukturelle Zwänge unterscheiden sich sehr stark. Aber dann möchte ich doch auch bitte eine Diskussion über diese Zwänge anfangen anstatt Prostitution und Prostitiuierte aus der Welt schaffen zu wollen.
    Und wenn wir die Diskussion über diese Zwänge konsequent fortführen, landen wir dennoch immer wieder bei den Migrationsgesetzen, die Migrierte grundsätzlich benachteiligen (gerade wenn sie keinen regulären Aufenthaltsstatus haben). Oder wir können über Niedriglöhne sprechen. Oder auch über Armut. Wir können gerne über alle Zwänge sehr differenziert sprechen. Aber am Ende werden wir keine dieser Zwänge mit einem Verbot der Prostitution aus der Welt schaffen können.

    „Die Schicksale ausländischer Prostituierter in Deutschland (so unterschiedlich diese auch sein mögen), als das Nachgehen eines Traums vom „besseren Leben in Deutschland“ zu beschreiben“

    Das habe ich so nicht geschrieben. Geschrieben habe ich, dass insbesondere junge Frauen, die migrieren wollen, durch derartige Präventionsmaßnahmen von der Migration abgehalten werden. Noch bevor sie überhaupt ausreisen. Zu dem Zeitpunkt haben sie einen „Traum vom besseren“ Leben. Migrieren sie trotzdem (was ja häufig passiert und auch an sich kein Problem ist), müssen ihnen Rechte, Informationen und Unterstützung geboten werden. Gerade dann, wenn der Traum ein Albtraum ist.

    Diese Präventionsmaßnahmen kritisiere ich insbesondere deshalb, weil jede Frau, die ins Raster fällt, in ihrer Migration eingeschränkt werden kann. Auch diejenigen, die in keiner Hinsicht ein Risiko eingehen. Es gibt genug Geschichten, gerade aus korrupten Ländern, wo Grenzbeamte geschmiert werden müssen, um das Land zu verlassen, weil man ja schließlich potentielles Opfer von Menschenhandel ist. Eine solche Präventionsmaßnahme bringt nichts, weil sie keine Rechte enthält – nur Einschüchterung!

    Was meine Interpretation von Frau Schwarzer betrifft: Es ist eine Interpretation, oft als Frage formuliert. Und Texte bieten sich nunmal an für Deutungen und Interpretationen. Damit werden Sie und Frau Schwarzer leben müssen.

  10. Sonja sagt:

    „Ich halte Prostitution nicht für Sex gegen Geld, höchstens für Penetration gegen Geld“

    Schön, dass Sie zeigen, wie wenig Sie über das Sexgewerbe wissen, da nicht jeder kommerzielle Sexakt mit einer „Penetration“ einhergeht. Und Penetration ist in meiner Welt immer noch Sex.

    Zur „modernen Sklaverei“

    Ja, das weiß ich doch. Ich beschäftige mich ja mit Menschenhandel. Vielleicht wollen Sie als nächstes alle Branchen verbieten, in denen das geschieht? Oder wie wollen Sie das Problem dort lösen?

    „Denn täten sie eben dieses Geld verdienen, wären sie durch ihren Reichtum angesehene Mitglieder unserer Gesellschaft.“

    Es ist bezeichnend für Ihre Position, was man tun muss, um in dieser Gesellschaft Ansehen zu erreichen. Ihre Positution lehne ich ab, darüber brauchen wir wohl nicht mehr diskutieren.

    • sanna werth sagt:

      ich versuche an diesem diskurs teilzunehmen um die verschiedenen positionen zu verstehen u ggf. auch in best. punkten meine meihnung zu formen oder anzupassen. warum gerate ich, und wie ich beobachte auch andere, immer wieder auf eine wand: „Ihre Positution lehne ich ab, darüber brauchen wir wohl nicht mehr diskutieren.“
      Woher kennst du meine position so genau, ohne nachzufragen, ob ich das auch genau so gemeint habe, um sie mit solcher deutlichkeit abzulehnen?
      Ich dachte diskussion lohnt sich gerade, bei Meihnungsverschiedenheiten, nicht bei Uebereinstimmung?
      Mir fehlt ein diskurs in extrem.

      PS: ich habe zb nicht geschrieben, dass prostitution immer mit penetration einhergeht, da ich in klammern auch manuelle handlungen einbezogen habe. eine genauere definition war mir fuer dieses unverbindliche forum nicht passend.
      Zum anderen ist penetration natuerlich eine sexuelle handlung. aber ich haette schon gern gesehen, dass menschen sex als etwas komplizierteres verstehen als rein-raus-abpritz…
      vorspiel, fuersorge, gegenseitige befriedigung, kommunikation…
      wenn wir prostitution legalisieren (wogegen ich nicht per se bin), brauchen wir dann nicht zwei woerter fuer geschlechtsverkehr, also jenen der verkauft werden kann und jenen, der aus gegenseitigem interesse passiert? andernfalls muessten wir doch so argumentieren, dass die freier den unterschied nicht merken.

      zum ansehen durch reichtum: sorry, kann nicht bestaetigen, dass dies meine position ist. eher eine beobachtung.

      • Sonja sagt:

        Liebe Sanna,

        es tut mir leid, dass Du den Eindruck hast, dass ich nicht diskutieren will, aber ich habe einfach den Eindruck, dass wir beide so unterschiedliche Begriffe und Konzepte verwenden, dass wir erst diese klären müssen (Ist Penetration Sex, z.B.) und da muss ich sagen, dass ich auch einfach aus zeitlichen Gründen diese Begriffsklärungsarbeit nicht unbedingt machen will. ich beschäftige mich seit Jahren mit dem Thema und es kommen immer wieder die gleichen Argumente und manchmal entscheide ich mich gegen eine Diskussion, weil ich einfach *müde* bin. Insbesondere wenn die Argumente so klingen, wie in so manchem Forum über mich, steige ich aus.

        Was ich von Deiner Position kenne, ist das was in den hier geposteten Kommentaren steht. Ich teile weder Begriffe noch fragen, weil es mir darum geht, dass Sexarbeiter*n Rechte haben und wie wir jetzt den Sex nennen und ob die Freier den Unterschied merken (die sind ja nicht blöd) ist aus meiner Sicht einfach irrelevant. Sexarbeit ist legal in Deutschland. Wo es illegal ist, können Sexarbeiter*n noch viel schlimmer ausgebeutet werden, u.a. auch durch Polizei. Das ist für mich Grund genug Sexarbeit als Arbeit zu regulieren.

        Ich habe viel dazu gelesen, viel dazu geschrieben und ich würde mich freuen, mich nochmal mit dir zu unterhalten, wenn du auch etwas mehr dazu gelesen hast. Z.B. hier http://menschenhandelheute.net/tag/sexarbeit/

        • Sonja sagt:

          Vergessen hatte ich natürlich zu sagen, dass Du den Appell gegen Prostitution unterzeichnet hast und vor dem Hintergrund der Schwächen, falschen Informationen und Daten, die er enthält, kann ich auch das als „Deine“ Prostitution identifizieren. Und diese – wie ich hier argumentiert habe – lehne ich kategorisch ab.

        • sanna werth sagt:

          Hallo Sonja,

          der Artikel und die Diskussion ist zwar jetzt schon ein Weilchen her, aber ich möchte noch was anfügen.

          Deine Müdigkeit kann ich verstehen (mir geht es oft im Bezug auf feministische Themen so). Aber wer überzeugen will, muss dies schon auch tun. ;-)

          Nachdem ich ein bissel mehr gelesen und die öffentliche Diskussion verfolgt habe, muss ich im Rückblick sagen, dass mich am meisten Dein letztes Argument („Wo es illegal ist, können Sexarbeiter*n noch viel schlimmer ausgebeutet werden, u.a. auch durch Polizei“) erreicht hat (mehr als der ganze Artikel). Danke, dies kann ich verstehen und nachvollziehen.

          Insgesamt, bin ich schon dafür, Prostitution als Arbeit zu regulieren, wobei ich anfügen würde, dass es keine einfache Arbeit ist, in dem Sinne, dass Prostituierte ganz bestimmten Schutz brauchen (aber das weisst Du warscheinlich besser als ich…). Das aufkommen der Diskussion finde ich jedoch sehr gut – und das ist dann ja schon der Emma-Aktion zu verdanken. Denn aus meiner Sicht sollte das Problem eine Kontrolle der Zwangsprostitution zu ermöglichen schon angegangen werden (ja und ohne Migrant_innen auszusperren). Und soweit ich verstehe sind sich da auch die meisten einig? Jedenfalls habe ich jetzt einfach beide Appelle unterzeichnet.

          Meine Fragen waren darauf hinaus gerichtet und das habe ich wohl nicht deutlich erklärt, dass ich es so sehe, dass in der Gesellschaft schon eine Diskussion stattfinden müsste, was Prostitution für uns bedeutet. Denn letztlich sind auch die Sexarbeiter_innen auf diese Diskussion angewiesen, bzw. davon die Menschen zu überzeugen, Prostitution nicht zu illegalisieren. Wir machen die Gesetze ja alle gemeinsam.

          Und hier fehlt mir insbesondere und ganz stark die Seite der potentiellen Kunden, wohl fast ausnahmslos Männer. Warum gibt es keine Forderungen der Dienstleistungsnutzer nach weiterer Legalisierung der Prostitution? Das wäre doch in ihrem Interesse.

          Warum wird von keiner Seite diesen Kunden vorgeworfen, dass vor allem auch durch ihre Stille die Sexarbeiter_innen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Und das obwohl die Kunden nicht mal illegal sind. Warum werfen wir nicht Freiern ihrer Doppelmoral genauso vor, wie Frau Schwarzer ihre populistische Argumentation. Das finde ich schon komisch.

          Meine Gedanken formuliere ich übrigens in meinem Blog noch ausführlicher: http://thoughtsonglobe.blogspot.com/2013/11/mein-senf-zu-prostitution-und-ihre.html

      • Sonja sagt:

        Vergessen hatte ich natürlich zu sagen, dass Du den Appell gegen Prostitution unterzeichnet hast und vor dem Hintergrund der Schwächen, falschen Informationen und Daten, die er enthält, kann ich auch das als „Deine“ Position identifizieren. Und diese – wie ich hier argumentiert habe – lehne ich kategorisch ab.

  11. sarah sagt:

    Der Artikel ist natürlich wunderbar geschrieben und bemüht sich sehr,
    aber er macht mich ohnmächtig. Unreflektiert, dass versucht wird, den
    Diskurs auf die „rechte“ Seite zu lenken mit Sätzen wie „sollen erst gar
    nicht nach Deutschland ausreisen“. Wenn „Prostitution bedeutet, dass
    erwachsene Menschen anderen erwachsenen Menschen sexuelle
    Dienstleistungen gegen Entgelt anbieten“ , bin ich und ich bin mir
    sicher viele Kritikerinnen und Unterzeichnerinnen der Emma Aktion,
    absolut bei Ihnen. Aber finden Sie nicht, dass dieser beschönigende Satz
    viel zu viele Fratzen der Prostitution außen vor lässt? Das klingt ja
    so wunderbar besonnen, tolerant und aufgeklärt und zeichnet leider doch
    nur ein Märchen. Diese Seite gibt es selbstverständlich AUCH, aber sie
    spiegelt doch nicht das gesamte Spektrum! Ich würde mir wünschen, dass
    sie vielleicht mal ein Praktium in einer Einrichtung machen, die sich um
    Opfer ihres „Berufes“ kümmert.

  12. Nessa sagt:

    Ich stimme dem Beitrag sehr gerne zu – nur an der Stelle „den korrupten und sexuelle (sic!) gewalttätigen Polizisten“ möchte ich gern einhaken: Solch eine Verallgemeinerung ist auch nicht besser als „Alle Prostituierten werden gezwungen.“

  13. […] hat immer noch dieses fast schon gangsterklischeemäßige Schmuddelimage mit ganz viel Menschenhandel, OttaEmma-Normalverbraucher_in stellt sich das entsprechend vor – und wenn’s einen […]