kleineralbtraum

Foto , CC BY-NC-SA 2.0 , by scarce

Happy Halloween! Während für einige von euch heute ein entspannter freier Tag ist, freuen sich andere auf einen Abend voller Horrorfilme und Halloweenpartys. Manchmal müssen wir zum Gruseln jedoch nicht einmal den Fernseher anmachen, Schauerromane aus dem Bücherregal kramen oder uns gegenseitig Großstadtmythen erzählen – Augen schließen und einschlafen kann schon reichen. Das menschliche Gehirn steckt voller Rätsel und unsere Träume gehören definitiv dazu.

Albträume können für Betroffene sehr belastend sein. Wenn ihr merkt, dass sich eure schlechten Träume auf euren Alltag auswirken, beispielsweise weil ihr tagsüber müde seid, da ihr nicht mehr so gut schlaft, oder wenn ihr Angst vor dem Schlafen habt, weil ihr nicht wisst, was für Träume euch heute erwarten, solltet ihr ärztliche und/oder psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Eine sehr effektive Methode ist die Imagery Rehearsal Therapy (IRT), in der ein Albtraum aufgeschrieben und in der Vorstellung so lange abgeändert wird, bis ein Szenario entsteht, mit dem der*die Patient*in sich wohlfühlt, sodass der ursprüngliche Albtraum seinen Schrecken verliert. Es ist ein bisschen so, als wäre der Albtraum ein Irrwicht. Wie gut, dass Albträumen mit dem Üben von IRT begegnet werden kann und wir nicht auf Zauberei angewiesen sind, um mit ihnen klar zu kommen.

Es folgt ein Best of kleineralbtraum mit Träumen, die von „ah ja, hatte ich auch schon mal“ über „du hast eine, naja, lebhafte Phantasie“ zu „???“ reichen.

Jule

Glaube ich meiner circa 60-sekündigen Google-Recherche zum Thema Albträume, bin ich in bester Gesellschaft mit dem Traum, der mir seit Jahren immer wieder den Schweiß auf die Stirn treibt, bevor ich in größter Unruhe erwache, gleichermaßen erleichtert und erschöpft. Nein, ich falle nicht aus einer großen Höhe oder bleibe in einem Fahrstuhl mit Zombies stecken. Viel schlimmer. In meinem wiederkehrenden Albtraum muss ich das Mathematik-Abitur noch einmal ablegen. Und zwar nicht als 19-jähriges, gut vorbereitetes Streber*innen-Ich, sondern als 34-jähriges, den Kopf mit allen Dingen außer Mathematik vollgestopftes Berufs-und Privatleben-jonglierendes Ich. Der Traum läuft immer gleich ab. Ich laufe durch die Schule, auf der ich mein Abitur gemacht habe. Ich finde mit traumwandlerischer Sicherheit das Naturwissenschaften-Kabinett, denn die Schule ist nach dem Schultyp “Erfurt” erbaut, wie wie fast alle der drei Schulen, auf die ich bis zum Abitur gegangen bin.

Das ist nicht Teil des Traums, das war tatsächlich so: Zu DDR-Zeiten wurden Schulbauten nach bestimmten Regeln standartisiert und in verschiedene Bautypen eingeteilt. Das machte Schulwechsel einfach, weil zum Beispiel die Sekretariate oder eben Fachkabinette verschiedener Schulen gleichen Bautyps immer am gleichen Platz waren.

In meinem Traum bin ich von Anfang an entsetzt über die anstehende Prüfung. Ich muss sie ablegen, weil sich irgendwie herausgestellt hat, dass meine ursprünglichen Abi-Arbeiten ungültig waren. Und ich muss sie komplett ohne Hilfsmittel ablegen, also ohne Taschenrechner und mein einst so heiß und innig geliebtes Tafelwerk. Ich versuche verzweifelt Sedimente von gefühlt vor Jahrhundert gelernten Kurvendiskussionen in meinem Hirn freizukratzen, als die Prüfungsaufgaben ausgeteilt werden. Kläglich stelle ich Formeln um und verfluche innerlich mein einstiges Versagen.

Im Traum steigere ich mich so in mein Problem, dass ich nachdenke, ob diese zum Scheitern verurteilte Mathe-Abiklausur nun auch die Ungültigkeit meiner Magisterarbeit nach sich ziehen wird. Immer näher kriecht die schaurige Gewissheit, dass der fromme Spruch, mit dem meine Lehrer*innen, aber auch meine Eltern mich einst versuchten, zu motivieren, glatt gelogen war: Nein, ich habe als Teenager nicht fürs Leben gelernt, sondern wirklich nur für die anstehenden nächsten Klausuren. Zum Höhepunkt der Konfusion – meist irgendwo in der Mitte der Kurvendiskussion – erwache ich, schweißgebadet und heilfroh, nur geträumt zu haben.

Dieser Traum wiederholt sich einmal im halben Jahr und jedesmal bin ich gleichermaßen vehement davon überzeugt, dass alles, was ich darin erlebe, wahr ist. Für mich ein ziemlich deutliches Zeichen, wie tief mir als 19-Jährige eingeimpft wurde, dass diese Prüfungen zu den wichtigsten meines Lebens gehören und sie zu verbocken eine riesige Katastrophe darstellt. 15 Jahre und ein paar Lebenserfahrungen älter kann ich sagen: Well done, Unterbewusstsein, aber du lügst. Die schwierigsten Prüfungen im Leben sind keine drei Fragen zur Auswahl auf einem A4-Blatt, ausgegeben von deiner Mathelehrerin. Aber das ist ein anderes Thema.

 

Kati

“Klassische” Albträume mit Monstern oder Macheten habe ich zum Glück eher selten, aber dafür habe ich sehr realistische, gar nicht so abwegige Träume, in denen es meistens ums Verlassenwerden geht. Ich wache selten mit Herzrasen auf, weil mich im Traum eine Mumie über eine Klippe gejagt hat, aber dafür schleppe ich viel zu oft trauminduzierte Melancholie mit mir rum, weil mich im Schlaf eine ehemalige Liebschaft besucht hat.

Doch das ist keine gute Story, also erzähle ich lieber von einem Albtraum, den ich zwei Nächte nach der letzten Bundestagswahl hatte. Im Traum wurde ich von Rechten durch ein riesiges Kostümgeschäft gejagt. Sie waren so nett und gaben mir 60 Sekunden Vorsprung, bevor sie mir mit einer Kettensäge hinterher rannten. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine echte Kettensäge oder eine Attrappe aus Pappmaché war, aber die Situation insgesamt war nicht besonders angenehm; richtig bizarr wurde sie erst, als ich an einem kleinen Deadpool-Stand vorbeikam und leise “uh, cool!” sagte, was einer der Jagenden hörte. “Oh, du magst auch Deadpool?” Wir unterhielten uns kurz über den Merc with a Mouth und wie sehr wir uns auf die Fortsetzung freuen, bevor uns einfiel, was wir gerade eigentlich machen. Den Traum beendete ich in einer kleinen Abstellkammer unter einer Treppe, durch deren Türschlitze ich die Typen beobachten konnte. Habe ich denn aus all den Horrorfilmen und Thrillern nichts gelernt?

 

Lucie

Mit meiner schwierigen Beziehung zum Schlafen könnte ich vermutlich alleine einen ganzen Artikel füllen (und das werde ich sicher auch irgendwann, wenn ich mal nicht zu müde dafür bin). Insgesamt scheine ich nachts sehr sehr viel mit mir auszumachen, und habe sehr wenig Kontrolle darüber. Wenn ich also nicht gerade im Gedankenkarussell feststecke und deswegen wachliege, habe ich, solange ich denken kann, sehr absurde Träume (was natürlich auch etwas in der Natur der Sache liegt). Am nächsten Morgen kann ich mich auch meist noch dran erinnern, aber es verblasst schnell, und gerade in den letzten Jahren habe ich das meiste wieder vergessen. Ich wünschte ich hätte die Disziplin, ein Traum-Tagebuch zu führen!

Was ich aber bis heute mit mir rumtrage, sind einige Alpträume, die ich als Kind und Jugendliche hatte. Keine ganzen Stories, sondern einzelne Bilder: einmal liege ich in dem Altbau-Wohnzimmer von Bekannten meiner Eltern, mit sehr hoher Decke und alten Möbeln, in einem Bettchen dessen Decke und Kissen mit spitzen Bleistiften gefüllt ist. Ein anderes Mal werde ich von humanoiden Robotern gejagt, die wie Klischee-Omas verkleidet sind, mit grauen Perücken und Strickschals um die Schultern, und die mit ihren metallenen Greifhänden Kinder im Nacken packen und schütteln (ich hatte ein gutes Verhältnis zu meiner Oma, ich habe keine Ahnung woher dieses Oma-Misstrauen kam!). Bei vielen meiner Erinnerungen handelt es sich auch um Fieberträume – ich bekam als Kind immer leicht Fieber und erzählte meiner Mama dann stundenlang, dass jemand von mir verlangt, Zahlen zu zählen, die so hoch sind, dass niemand sie zählen kann, und dass der Boden aus Glas ist und ich kopfüber darauf laufen muss. Mir wird schon schwindelig wenn ich nur daran denke. Eine meiner eindrücklichsten Erinnerungen ist jedoch die, in der ich einen Alptraum besiegt habe. Ich war im evangelischen Gemeindehaus meiner Stadt (da kann mans mal sehen) und wurde von einem schwarzen Käfer gejagt, der mich offensichtlich an einem Punkt erwischt haben musste: ich sah den Käfer von meiner Hand weglaufen, und hinterlassen hatte er dort ein grosses Loch, mitten durch die Handfläche hindurch. Das Loch ist schwarz umrandet, als hätte jemand durch meine Hand geschossen (aber es war der Käfer, fragt mich nicht wie). An diesem Punkt wurde es meinem kindlichen Ich aber offensichtlich zu bunt: Ich erinnere mich deutlich wie ich zu mir selbst sagte: “Moment mal. Das ist gar nicht passiert. Das hier ist nämlich ein Traum!” Daraufhin verschwand das Loch. Mein erster und einziger Klartraum! Aber vor Käfern grusele ich mich ehrlich gesagt heute noch.

Mit Anfang 20 hatte ich dann auf einmal verstörend brutale Träume, die ich hier lieber nicht aufschreibe. Glücklicherweise hatte ich zu diesem Zeitpunkt auch einen Hausarzt, mit dem ich regelmässig halb-therapeutische Gespräche führte. Für ihn waren meine Träume einfach nur ein Ausdruck davon, dass wir alle Janus-köpfig eben zwei Seiten haben, dunkel und hell, gewaltvoll und friedlich, ängstlich und hoffend, hassend und liebend. Und im Schlaf käme eben die dunkle Seite hervor und wir müssten uns dann mit ihr auseinandersetzen. Es mag vereinfachend sein, aber dieses Bild ist mir immer im Gedächtnis geblieben, und irgendwie hat es Alpträumen für mich ihren Schrecken genommen.

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