„Wish I Was Here“ – Nicht nur ein Kickstarter-Film

Foto , © , by Wish I Was Here

Zach Braff hat einen neuen Film gedreht und ich möchte ihn euch ans Herz legen. Geht da ab dem 9.10 rein! Nur um schon mal mein Urteil vorwegzunehmen. Aber am besten fange ich da an wo alle anfangen:

Diesen Zach Braff, den kennt ihr doch, oder? „Garden State„! „Scrubs„! Ja, der. Und der hat jetzt seinen „inoffiziellen“ „Garden State Nachfolgefilm“ bei diesem Internetdienst Kickstarter finanziert… So, oder so ähnlich gehen die meisten Artikel über Zach Braffs neuen Film „Wish I was here“ los. Nur um sich dann über mehrere Absätze in Crowdfunding, Filmfinanzierung und anderen blutleeren Nebensächlichkeiten zu verlieren. Sparen wir uns an dieser Stelle. Ich möchte euch WIWH schliesslich nicht empfehlen, weil Herr Braff im Internet dafür Geld gesammelt hat. Ich möchte euch einfach nur einen Film empfehlen, der mich zum Weinen gebracht hat, mehrfach und im besten Sinne.

Im Zentrum von „Wish I Was Here“ steht Aiden Bloom (Zach Braff) als 35-jähriger Vater, der immer noch davon träumt, als Schauspieler groß rauszukommen, und sich immer wieder in die Helden-Fantasien seiner Kindheit flüchtet. Währenddessen verdient seine Frau Sarah (Kate Hudson) den Familienunterhalt mit einem langweiligen Job, sein Vater (Mandy Patinkin) bezahlt den Kindern die jüdisch-orthodoxe Privatschule. Der exzentrische Bruder (Josh Gad) hingegen lebt in einem Wohnwagen und hält sich aus allem raus. Mehr will ich gar nicht spoilern, eigentlich. Ausser soviel: Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen, um bewusst geführte Beziehungen, um das Aussprechen von Unausgesprochenem, ums Bewältigen von Ängsten, ums Heimisch werden, ums zu-sich-finden. Oder kurz: Um den Tod und was man davor noch so machen sollte. Das sind dann auch die Stellen an denen eure Tränendrüsen vielleicht etwas beschäftigt sind, sofern ihr euch darauf einlassen wollt. Es wird auf jeden Fall versucht, darauf rumzudrücken.

Toll finde ich, wie sich der Film an einigen Stellen einfach nicht an gewohnte Sehmuster hält und dem Publikum weniger erklärt. Wenn Aiden und Sarah sich wieder näher kommen und dabei zusammen ein Lied summen, dann verliert das nicht an Intensität nur weil vorher dieses Lied nicht als „ihr Lied“ eingeführt wurde. Man fühlt, dass gerade etwas wichtiges und besonderes passiert, auch ohne vorher mit dem Holzhammer darauf hingewiesen worden zu sein. Oder dieser Hund, der am Anfang des Films wichtig erscheint, dann kurz nochmal auftaucht und dann plötzlich nicht mehr. In einer Hollywood-Produktion wäre das ein klarer Anschlussfehler. Frei nach Chekhov muss der Hund vom Anfang auch im dritten Akt aufs Bild, sonst ist er überflüssig. In WIWH ist er das aber nicht, er ist Teil einer Geschichte deren Fokus sich langsam auf Wichtigeres verschiebt.

Über vieles lässt sich streiten, aber nicht über das Casting dieses Films. Kate Hudson ist grossartig. Mandy Patinkin sowieso. Und Joey King, die Aidens Tochter Grace spielt, erst! Ich hatte zu Beginn des Films etwas Sorge, dass Zach Braff hier einen Cast versammelt hat, der ihn kollektiv an die Wand spielt. Aber gerade in der zweiten Hälfte des Films wächst das Ensemble zu einem wunderbar organischen Beziehungsgeflecht zusammen.

Und um ein Klischee zu bemühen: Ein weiteres Cast-Mitglied, das seinen Job hervorragend macht, ist der Ort des Geschehens. Los Angeles spielt eine überzeugende Rolle und trägt die Handlung. Wer schon mal da war, wird sicherlich die eine oder andere Ecke wieder erkennen und sich heimisch fühlen. Das ist vermutlich auch dem Fakt geschuldet, dass wirklich in LA gedreht wurde und nicht wie sonst üblich irgendwo in Kanada, wo die Arbeit billiger und subventionierter zu haben ist (Zitat Zach Braff: „Da werden dann ein paar Palmen hingerollt.“).

Ich habe versucht, im Netz gute Reviews zu „Wish I Was Here“ zu finden. Gar nicht so einfach. Oft findet sich vor allem die Aussage, man hätte früher ja “Garden State“ gemocht, heute aber nicht mehr. Ausserdem hätte sich Braffs Musikgeschmack nicht weiterentwickelt. Und dieser aktuelle Film wäre ja ganz nett, aber nichts Neues. Vielleicht traf „Garden State“ (für manche) einen generationellen Zeitgeist. Wer den Film mochte, fühlte sich irgendwie auf eine nicht wirklich fassbare Art verstanden. Vielleicht stösst genau das heute viele ab. Wer hat sich in den letzten zehn Jahren seines Lebens nicht so weit weiterentwickelt, um nicht zumindest etwas irritiert von seinem früheren Selbst zu sein? Egal wie man das sieht, „Wish I Was Here“ ist auf jeden Fall einen längeren Blick ohne die „Nachfolger von Garden State“-Brille wert.

Natürlich hat WIWH auch Schwächen. Zach Braff macht Filme zu sehr aus seiner Perspektive, die mittelalt, weiss und männlich ist. Man merkt deutlich, dass der Film von zwei Brüdern (Zach und Adam Braff) über zwei Brüder geschrieben wurde: Männerrollen und -verhältnisse dominieren die Geschichte, manchmal auf Kosten der anderen Rollen. Dass es trotzdem sehenswert bleibt, liegt vor allem an Kate Hudson und an der Figur der Tochter Grace, die im Laufe des Films durch ihre Präsenz und Eigenwilligkeit zum eigentlichen Star des Films avanciert. Eine Vater-Tochter-Beziehung, in der er von ihr mindestens so viel lernt wie umgekehrt, sieht man auch nicht allzu oft. Und die – natürlich trotz allem zentrale – Entwicklung der männlichen Hauptfigur Aiden passiert nicht mit der Hilfe dieser Frauen in seinem Leben, sondern für sie. Sie sind nicht seine Staffage oder sein Katalysator, sie sind eigenständige Figuren mit eigenen Sorgen und Wünschen. Es wäre wünschenswert, Zach Braff bewegte sich für zukünftige Projekte noch weiter in diese Richtung und entfernt sich auch hier vom System Hollywood. Trotz allem hat mich WIWH sehr bewegt und mitgenommen. Ein leiser Film, der auch aneckt, um sich selbst treu zu bleiben. Ein Film der möchte dass man mit ihm lacht und weint bis man leer und erfüllt ist.

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