Watching Looking

Screenshot , by © HBO

Kürzlich lief die erste Staffel der neuen, schwulen HBO-Serie „Looking“. Schnell wurde sie als die schwule Version von „Girls“ bezeichnet und auch die Andersartigkeit zu anderen schwulen Formaten wie „Queer as Folk“ hervorgehoben. Grund genug sich „Looking“ mal näher anzusehen!

Die Serie spielt im San Francisco unserer Zeit und dreht sich um Patrick Murray (Jonathan Groff), einen 29-jährigen Videospieldesigner und Gaymer und – na klar – um das Suchen und Finden der mehr oder weniger richtigen Männer in seinem Leben. Patrick wirkt oft schüchtern und ein wenig verklemmt: So beginnt die erste Folge mit einem Besuch Patricks in einer Cruising-Area und wir können ihm förmlich anmerken, wie froh er ist, dass er aufgrund eines Anrufes diese schnell wieder verlassen kann. Manchmal bekommt man sogar den Eindruck, Patrick fühlt sich unwohl in seiner (schwulen) Haut, wenn er beispielsweise auf die Folsom Street Fair geschleift wird.

Patricks Mitbewohner und bester Freund Agustín (Frankie J. Álvarez) ist eigentlich Künstler und mitten in einer Schaffenskrise, die sich auch nicht gerade positiv auf seine Beziehung mit Frank (O. T. Fagbenle) auswirkt. Ihre Beziehung reflektiert stark den Identitätsverlust, den manche Menschen in einer langen Beziehung erleben, wenn sie ihre eigenen Interessen nicht mehr so stark verfolgen wie vor der Beziehung. Agustín befindet sich in einem typischen Dilemma: Er möchte durch seine Kunst und als Künstler wahrgenommen werden, räumt sich dies aber selbst nicht ein, weil er seiner Meinung nach nicht genug dafür tut, was wiederum dazu führt, dass er sich Gelegenheiten seine Kunst anderen vorzustellen durch die Lappen gehen lässt. Zu diesem inneren Zwist kommen noch ein bisschen Drama, Sarkasmus und Allüren, dass man manchmal mit den Augen rollen möchte.

Dritter im Bunde ist Dom (Murray Bartlett), ein Kellner, der von seinem eigenen Restaurant träumt, eine Vorliebe für Twinks und ziemliche Probleme damit hat, bald 40 zu werden.

Dom ist der Playboy der Gruppe, wirkt aber oft gar nicht so, als würde er sich in dieser Rolle wohl fühlen. Mit zunehmendem Alter scheint er den Jugendwahn der Szene (und auch seinen eigenen) zu hinterfragen – genauso wie seine alten Lebensziele, die er im Laufe der Zeit aus den Augen verloren hat und die er angesichts seiner Midlife Crisis wieder in den Mittelpunkt stellen will.

Gay Sex – and the City

Ich finde das Setting und die Stimmung von „Looking“ sehr angenehm, sie wirken unaufgeregt und vergleichsweise ruhig. Auch sind die Dialoge nicht nur auf die nächste GIF-fähige Punchline ausgelegt (auch wenn das in diesem Artikel vielleicht anders rüberkommt) und trotz der 30-minütigen Episoden nimmt „Looking“ sich sehr viel Zeit zum Erzählen und für Details. Trotzdem oder vielleicht eher gerade deswegen ist die Serie sehr explizit in der Darstellung schwuler Sexualität: Es gibt viele und nicht nur angedeutete Kussszenen und natürlich auch viel Sex: von besagtem Cruisen über Dreier zu One-Night-Stands und bezahltem Sex. Und darüber wird natürlich auch viel und offen geredet.


Das mag zwar jetzt profan wirken, ist aber eben nicht die Regel: In Zeiten, in denen Filme wie Dallas Buyers Club ausgezeichnet werden, Filme, in denen es explizit um die LGBTIQ*-Community geht und in dem wir beispielsweise keinen einzigen gleichgeschlechtlichen Kuss erleben, freue ich mich über jede Darstellung gleichgeschlechtlicher Sexualität, die selbstverständlich stattfindet. „Looking“ ist dabei weder prüde noch pornographisch: die schwulen Kuss- und Sexszenen nehmen nicht mehr, aber auch eben nicht weniger Platz ein als im Hetero-Mainstream. Und ich muss zugeben, dass selbst mich das anfangs noch irritiert hat. Aber selbstverständlich – und das ist genauso wichtig – gibt es auch genug Gefühle und auch Romantik: So breche ich noch immer in große „Aww!“-Seufzer aus, wenn sich in meiner Lieblingsszene Patrick und sein Love Interest Richie (der unglaubliche Raúl Castillo) in der U-Bahn kennenlernen.



Representation matters

Auf der anderen Seite ist Repräsentation ein Problem für „Looking“, denn die Serie ist vor allem eins: schwul. Sie wurde von Schwulen für Schwule gemacht (so sind von neun Autor_innen sieben schwul und nur eine weiblich). Das scheint zwar ihr Anspruch zu sein, ist jedoch zurecht kritisierbar. Keine einzige Folge besteht den Bechdel-Test und der einzige weibliche Charakter mit mehr als ein paar Sekunden Screentime ist Doris (Lauren Weedman), Doms Mitbewohnerin (deren Gespräche mit Dom definitiv zu den Highlights der Staffel gehören). Dass es in „Looking“ nunmal um homosexuelle Männer geht und dass das das völlige Fehlen von Frauen irgendwie rechtfertigen würde, ist überhaupt gar kein Argument. Schon gar nicht, wenn sich eine Serie sonst so sehr um Authentizität und Realitätsbezug bemüht wie diese, dabei aber (mal wieder) ausblendet, dass Frauen im Leben von Schwulen meist sehr wohl eine wichtige Rolle spielen. Außerdem wäre Gay culture ohne Frauen überhaupt nicht denkbar. Darüber hinaus spielen auch die restlichen Buchstaben in LGBTIQ* gar keine Rolle, was für eine schwule Serie, die 2014 in San Francisco spielt, schon ziemlich weltfremd und gestrig ist. Ich finde es ziemlich schade, dass „Looking“ hier denselben Fehler wie der schon oben erwähnte „Dallas Buyers Club“ macht. Obwohl es ironischerweise eine Szene gibt, in der Patrick sagt, dass er sich als Schwuler oft besser mit weiblichen spielbaren Charakteren in Videospielen identifizieren kann und erklärt: „Because women are outsiders in games and I can relate to that. Gay people get it.“ („Frauen sind Außenseiter in Videospielen und ich kann mich damit identifizieren. Schwule verstehen das.“) Patrick sagt damit indirekt, wie wichtig (weibliche) Repräsentation eigentlich ist.

Andere Diskriminierungsformen wie Rassismus und Klassismus werden in „Looking“ dagegen durchaus problematisiert (wenngleich für meinen Geschmack zu wenig).



Die Macher_innen der Serie scheinen sich dieser Probleme jedoch bewusst zu sein, denn in „Talking“, dem zur Serie gehörigen Podcast, gibt es beispielsweise eine Folge über „Race Dynamics in Relationships“. Ich hoffe, dass das Team sich in den kommenden Staffeln dieser Probleme noch mehr bewusst wird und auf Diversität statt Homogenität setzt.

„It’s not gay, it’s completely normal.“

„Looking“ versucht eine neue Generation von Schwulen in San Francisco darzustellen – eine Generation nach Harvey Milk und der AIDS-Krise, die nicht mehr für jede Form von Akzeptanz kämpfen muss und es sich damit leisten kann, relativ unpolitisch zu sein. Die Serie kommt zudem erfreulicherweise ohne Klischees über Schwule bzw. Klischees über die Darstellung von Schwulen aus (etwas, das man von „Queer as Folk“ nicht gerade behaupten kann). Es werden Safer Sex, Sexarbeit, alternative Beziehungsmodelle, Online-Dating (z. B. auf OKcupid oder Grindr), Drogenkonsum und die eigenen Stereotype offen dargestellt und reflektiert. Keiner der Hauptcharaktere ist ungeoutet und Homosexualität wird nicht wirklich problematisiert, obwohl sie für viele Homosexuelle in der Realität ein Problem ist bzw. zu diesem gemacht wird. Die Serie gleicht damit einer schwulen, privilegierten Nabelschau: Wo sind wir und was machen wir hier eigentlich? Ich kann mich mit vielen Sachen in „Looking“ identifizieren, und daher sagen: Es tut gut sich mal auf den Nabel schauen zu lassen. Für diejenigen, die das nicht können, ist „Looking“ im schlimmsten Fall langweilig. Einen Versuch kann man der Serie jedoch geben.

Links

Offizielle Webseite
Offizieller Twitteraccount
Offizieller Instagram-Account
„Talking“, der Podcast zur Serie
(Inoffizieller) Tumblr mit GIFs

Wann, wo und wie „Looking“ im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wird, ist (mir) noch nicht bekannt. Die zweite Staffel ist für 2015 angekündigt.

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