Mein Partner, der Teilzeit-Reaktionär

Foto , CC 2.0 , by Grand Canyon National Park

Dies ist ein Beitrag aus unserer Rubrik kleinergast, in der wir alle Gastartikel veröffentlichen. Die Autorin will anonym bleiben.

Mein Partner ist ein fantastischer Mensch. Ausgeglichen, freundlich, liebevoll, fürsorglich, einfühlsam, belesen und klug. Wir lieben und kennen uns schon lange. Wir tauschen uns aus über das, was wir im Laufe der Tage so erleben und lesen. Wir sind uns meist einig in der Einschätzung von privaten Situationen, Problemstellungen in unseren jeweiligen Jobs und der Einstellung zu öffentlichen Ereignissen. Wir schätzen beide die Meinungen der jeweils anderen Person sehr. Wir sind einander der/die wichtigste Ratgeber/in. Wir sprechen auch viel über uns, wie wir zueinander sind, wie unsere Konflikte entstehen und wie wir sie zukünftig vermeiden wollen. Wir stellen uns vor, wie es sein wird, sollten wir ein Kind bekommen. Wir möchten das anders machen als unsere Eltern, wir möchten gleichberechtigte Eltern sein. Wir möchten Verantwortung, Arbeit und Freude gleich untereinander aufteilen. Wir reden da sehr konkret drüber: Elternzeit halbe-halbe, danach beide Arbeitszeit reduzieren. Wir planen, wie wir mit gemeinsamen Kalendern, Todo-Listen und Emailadressen verhindern können, dass all dieses Dran-Denken klischeehaft bei mir hängen bleibt.

Eltern in der Leser_innen_schaft, denken jetzt vielleicht „ja, mh, süß die Kleinen“. Das ist auch Ok. Ich glaube nicht, dass das alles so easy wird, wie wir uns das ausdenken. Was ich aber damit sagen will ist, dass ich nicht mit einem Höhlentroll zusammen bin, sondern stattdessen das Thema Gleichberechtigung und Emanzipation ein wichtiges in unserem Beziehungsdiskurs ist. Wir kommen beide manchmal heim und sind erschüttert, weil Kolleg_inn_en, aus voller Inbrunst und völlig unreflektiert, die „blau ist für Jungs“ und „Mädchen mögen eh’ keinen Fußball“-Position vertreten. Wir schütteln beide den Kopf über sexistische Werbung oder die eindimensionale, stereotype Darstellung von Menschen in Film und Fernsehen. Wir beide versuchen, andere davon zu überzeugen, dass der Kampf um Geschlechtergerechtigkeit noch nicht gewonnen ist.

Umso mehr erschüttert es mich, dass mein Partner manchmal Knaller raushaut, die vielleicht nicht im dunkelsten Winkel des Patriarchatskellers geboren wurden, aber doch irgendwo in seiner direkten Nachbarschaft. Es geht dann um Punkte, die für mich als Feministin eigentlich gar nicht diskutiert werden müssten.

Meine erste Reaktion: Pure Überraschung

Da ist dann meine Periode unbeschreiblich „Bäh“, darf nicht benannt werden, denn das sei ja irgendwie besonders unangenehmes Blut, „ekeliger als wenn sich jemand in den Finger schneidet“. Und er hält es für sein innerstes, tiefstes Empfinden, dass nur schlanke Menschen schön sind, und alle anderen sich einfach nur ein bisschen zusammenreißen müssten, dann wären auch sie endlich – objektiv betrachtet – schön. Er ist davon überzeugt, dass sein Menschenbild hier nicht von gesellschaftlichen Körpernormen geprägt ist. Zu sagen „Steh auf, du Mädchen!“, wenn ein Spieler am Boden liegt, ist für ihn ein total legitimer Fußballkommentar. Sage ich, dass damit Weiblichkeit abgewertet wird und Stereotype reproduziert werden, hällt er das für humorlos und übertrieben. Und außerdem kommt es für ihn persönlich ganz und gar nicht in Frage, meinen Namen anzunehmen, es sei aber schon traurig, dass ich seinen nicht annehmen will und es stehe zu hoffen, dass ich das nicht aus einem falschverstandenen Feminismus heraus nicht will.

Meine erste Reaktion ist dann pure Überraschung, weil diese Aussagen nicht zu dem reflektierten Mann passen, den ich liebe und kenne, und von dem ich weiß, dass er gesellschaftliche Missstände sieht und verurteilt. Natürlich schließt sich dann eine Diskussion an, in der ich Ideen und Konzepte erläutere. Allerdings endet diese Diskussion oft an einem Punkt, an dem er meine Argumente zwar als schlüssig anerkennt, aber dann doch aus seiner privaten, persönlichen Empfindung heraus begründet, warum er dennoch bei seiner Meinung bleibt.

Aber, frage ich mich, wenn meine Argumente schlüssig sind, wenn demnach Vieles von dem, was wir reflexartig fühlen, seine Ursprünge in unserer Sozialisation hat, müsste er sich nicht zwingen wollen, seine Gefühle und Meinungen dem anzupassen, was er richtig findet? Müsste er nicht erschüttert sein, dass er herabwürdigende Stereotype reproduziert, sich Mechanismen bedient, die Objektifizierung von Frauen verursachen und Ansprüche an mich stellt, die wider die Gleichberechtigung sind? Müsste er nicht aus dieser Motivation heraus sein Handeln ändern?

Ironischerweise entspricht es ja auch einem traditionell geprägten Männer-Stereotyp, dass er gar nicht in Betracht zieht, dass seine Empfindungen überholt und überarbeitungsbedürftig sein könnten. Während ich dagegen ein Frauen-Stereotyp bediene, wenn mir im Zuge der Gespräche Zweifel an mir und meiner Position kommen: „Wer weiß, vielleicht habe ich ja wirklich unrecht, wir sind uns ja sonst immer so einig“ denke ich dann – bestimmt auch, weil ‚die Gesellschaft‘ mich von klein auf gelehrt hat, dass Männer recht haben und Frauen belehrt werden müssen.

Kompromisse, die wir finden müssen

Mein Eindruck: Trotz aller Einsicht kann er die Bedeutung der Begriffe „Jahrhundertelange Unterdrückung“ und „Patriarchat“ nicht in ihrer Gänze erfasst haben. Denn hätte er erkannt und akzeptiert, dass auch seine Gefühle von der uns umgebenden patriarchalen Gesellschaft geprägt sind, dann müsste er an sich arbeiten wollen und dafür kämpfen, diesen Einflüssen aktiv entgegenzutreten.

Stattdessen müssen wir Kompromisse finden: Ich spreche dann zwar über meine Periode, aber so gut wie gar nicht darüber, dass da Blut im Spiel ist. Er versucht, sich – zumindest in meiner Anwesenheit – in sprachlicher Toleranz gegenüber dicken Menschen. Dass ich nicht zunehmen soll, formuliert er als Bitte und nicht als Forderung. Wenn ich dabei bin, sagt er nicht „Steh auf du Mädchen“, weil ich sonst auf das gemeinsame Fußballschauen verzichten würde. Die Nachnamensfrage schieben wir auf. Es bleibt aber bei mir das schale Gefühl, dass wir diese Kompromisse eigentlich nicht brauchen sollten. Und ich schäme mich auch für ihn und traue mich nicht, anderen von diesen Knallern und Kompromissen zu erzählen.

Hauptsächlich bin ich aber wütend auf das verdammte, Jahrhunderte alte Patriarchat, das es sich in unseren Köpfen gemütlich gemacht hat, und sich – wenn überhaupt – nur sehr mühsam daraus vertreiben lässt. Ich bin wütend darauf, dass es da ist, und darauf, dass mein Partner bei dieser so nötigen Vertreibung aus unseren Köpfen weniger Kraft investiert und weniger gründlich vorgeht als ich. Was ja auch Gründe hat, weil ihn die ganzen Situation begünstigt und mich nicht.

Schlussendlich bleibt also ein Graben zwischen meiner eigenen Überzeugung und den Aussagen eines anderen, dem ich sehr nah und überhaupt nicht fremd sein will. Auf diese Formel gebracht, schätze ich, lässt sich das Problem übertragen auf andere Diskriminierungskontexte (Rassismus, Homophobie etc.) und natürlich auch über Partnerschaft hinaus, auf Freundschaften etwa.

Und da würde mich interessieren: Wie macht ihr das, wenn Herzensmenschen einfach nicht verstehen wollen, worum es euch geht? Wenn sie Dinge sagen, die dumm, unreflektiert, diskriminierend und rücksichtslos sind, und auch noch auf deren Richtigkeit bestehen? Kann es in Ordnung sein, sich gegenüber reaktionären Einstellungen tolerant zu zeigen und Kompromisse zu finden? Welche ethisch-moralische Kompromisse habt ihr gefunden und geht es euch gut damit?

20 Antworten zu “Mein Partner, der Teilzeit-Reaktionär”

  1. Schlotte sagt:

    Ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass eine Beziehung eine Zukunft haben
    kann, wenn die Beteiligten so unterschiedliche Ansichten haben. Klar,
    dein Freund ist kein Vollidiot, er hat schon ein bisschen über Dinge
    nachgedacht – aber offenbar leider noch nicht besonders viel. Und es
    scheint ihm ja egal zu sein, dass du dich von seinen dummen Sprüchen
    gestört und verletzt fühlst, während du dich seinetwegen verbiegst –
    keine gute Ausgangsbasis, um länger zusammen zu bleiben. Sorry, dass ich
    das so hart ausdrücke, aber du hast ja um eine Antwort gebeten.

  2. Zweifelnde sagt:

    Einer meiner besten Freunde ist in seiner Herabwürdigung von Frauen, mit denen er schläft, das übelste Klischee eines chauvinistischen Arschlochrappers. Hin und wieder muss ich mich in dieser Freundschaft sehr zurückhalten, wenn er über seine Affären oder One-Night-Stands spricht, sein Vokabular trieft dann nur so von Verachtung; vom eigentlich reflektierten jungen Mann, der er sonst ist, bleibt nicht viel übrig.

    Spreche ich ihn darauf an, mauert er. Auch er gibt mir dann teilweise Recht, lässt sich aber nicht davon abbringen, dass es trotzdem noch sein Privatvergnügen bleiben dürfen muss, wie er über diese Frauen spricht und spielt die „Das sagst du auch nur, weil du eine Frau bist“-Karte. Und ich fühle mich mit dem Bewusstsein, dass das eben kein Privatvergnügen ist, gesamtgesellschaftlich immer noch in der Minderheit. Und deshalb bin es am Ende meistens ich, die klein beigibt.

    Als ich mit einem anderen Freund neulich darüber sprach, sagte er, man könne ja auch als Ziel definieren, dass nicht die Männer aufhören, über ihre Affären so abwertend zu sprechen, sondern dass wir es alle potentiell dürfen – und manche tun es dann eben und andere nicht, unabhängig von den Geschlechtern. Momentan scheitert das nicht nur daran, dass das Vokabular für Frauen, wenn sie über Sexualpartner sprechen, da sehr begrenzt ist – ich halte eine Akzeptanz von respektlosem Umgang miteinander auch garnicht für wünschenswert. Gleichzeitig frage ich mich, ob der oben genannte Freund vielleicht stärker reflektieren würde, was er tut, wenn ihm jemand mal einen Spiegel vorhalten würde. Gerade das ist aber eben garnicht möglich – weil selbst ein abwertendes Sprechen über männliche Sexualpartner immer noch in einem anderen Machtverhältnis stattfindet und von ihm deshalb garnicht als problematisch wahrgenommen wird.

  3. Marc sagt:

    Also ich – ganz für mich alleine, mit keinem Königinnenwegs-Anspruch –
    mülle gerade meine Freund*innenschaften aus, die schlecht sind für mich.
    Momentan zählen für mich auch reaktionäre Anzeiger dazu. Insbesondere
    ködere ich neue Menschen, die ich kennenlerne, um zu testen, was für
    reaktionärer Kram aus ihnen rausfällt. Aus meiner eigenen Position etwa
    ist homophobes Zeug der absolute Dealbreaker.
    Aus meiner Position
    (weiß, cis-männlich, schwul, und zwar von disability betroffen, werde
    aber normalerweise als able-bodied und -minded gelesen) bedeutet das,
    dass ich zwar bereit bin, Menschen Feministische, Anti-Rassistische oder
    Disability Studies Positionen näher zu bringen – weil ich das aus
    privilegierter Position auch für meine Pflicht halte -, aber ich erwarte
    mindestens, dass kein homophobes (und -normatives) Zeug aus ihnen
    rausfällt, weil es sonst mein eigenes Sicherheitsempfinden ihnen
    gegenüber zu stark beschädigt.

    Andererseits hat das den Effekt,
    dass ich nur eine nahe Freundin habe, und seit 2009 nicht wieder in
    einer Beziehung war. Ich habe also gerade beschrieben, wie hohe
    Ansprüche sich effektiv niederschlagen können, und habe großes
    Verständnis, wenn andere Personen andere Prioritäten setzen.

    Vielen
    Dank für diesen Text, ich stimme insbesondere der Wut aufs Patriarchat
    zu, aber wütend zu sein darauf, wenn Personen sich dem Patriarchat
    gegenüber nicht reflektieren wollen, selbst wenn eins sie drauf
    hinweist, ist auch völlig ok :)

    • Steffi Gtl sagt:

      Ködern? Inwiefern? Bewirkt eine solche Taktik nicht, dass Gleichgesinnte wenn nicht vom „Köder“, dann von der Arroganz eines Prüfstandes abgeschreckt werden? Mir leugnet die Emotion dahinter ein, aber …naja.

  4. skairdykat sagt:

    Bei uns gibt es dieses Problem auch, allerdings in stärkerer Form. Mein Freund hält Feminismus für überflüssig („Männer und Frauen sind doch gleichberechtigt und wir haben sowieso größere Probleme“) und lässt gerne mal sexistische oder rassistische Bemerkungen vom Stapel. Wenn ich ihn dann darauf aufmerksam mache, oder wütend werde, gibt’s nur genervtes Augenrollen und eine Bemerkung à la: „Super, musst du uns jeden Abend mit deinem Alice-Schwarzer-Kampflesben-Getue versauen?“ (Ja klar, ist ja meine Schuld, wenn er sich nicht zusammenreißen kann.)
    Dann gibt es meistens eine ellenlange Diskussion, in der keine/r von uns von seinem/ihrem Standpunkt abweicht und die für gewöhnlich darin endet, dass ich stinksauer ins Bett gehe.

    Das Thema Nachname kennen wir auch. Wir sind zwar nicht verlobt, trotzdem kommt es hin und wieder auf. Meine Lösung dazu: Heiraten steht so lange außer Frage, bis er akzeptiert, dass ich meinen Namen behalte. Ansonsten gibt’s halt keine Ehe (grundsätzlich bin ich ohnehin der Meinung, dass die Ehe ein veraltetes, sexistisches Konstrukt ist, das man nicht zwingend unterstützen sollte).

    Wir machen da nur kleine Fortschritte: Er überlegt es sich mittlerweile zweimal, ob er in meiner Anwesenheit Ausländer oder übergewichtige Frauen, etc beleidigt. Allerdings tut er das nicht aus eigener Überzeugung, sondern eher um weitere Streitereien zu verhindern, was ja auch nicht wirklich Sinn der Sache ist.

    Nach der Geburt eines Kindes zuhause bleiben und Elternzeit nehmen, würde er übrigens. Nicht aus Gründen der Gleichberechtigung, sondern weil er dann ein paar Monate lang nicht arbeiten müsste. (Gott, wenn man das hier so liest, klingt er wie ein Riesenarsch. Abgesehen von diesen Dingen, ist er aber ein hilfsbereiter, sozialer und lieber Mensch.)

  5. Lu sagt:

    Guter Artikel, wichtiges Thema. @Schlotte Dann bleiben aber wenig Männer als mögliche Partner übrig glaube ich. Es gibt ja auch Herzmenschen mit denen bin ich verwandt, da kann ich mir nicht neue Familienmitglieder suchen, was mach ich da? Schwieriges Thema für mich.

  6. Gunnar M. sagt:

    Ich wünsche mir, dass meine Frau (ich bin ein Mann, wir leben in einer Hetero-Beziehung) sensibler für das Thema Feminismus wird. Meist bin ich es, der Artikel dazu im Netz oder in der Zeitung liest, der darüber diskutieren möchte etc., während sie das Thema mit „Die sollen sich mal nicht so anstellen!“ oder „Manches ist schon arg übertrieben!“ abtut. Leider bin ich aber auch nicht der intelligenteste Mensch unter der Sonne, weshalb ich einige Texte und Sachverhalte einfach nicht kapiere. Wenn ich dann eine in puncto Feminismus gebildete Person frage, erhalte ich aber nur folgende Reaktion: „Bild Dich doch selber, Du Höhlenmensch!“, „Ich bin hier nicht Dein Erklärbär!“ etc. Letztens fragte ich eine bekannte Twitterin, die sich mit dem Thema beschäftigt, via „Ask everything“ mit dem Resultat, dass sie die Frage repostete, mit „Orr Leute, ich bin doch nicht Euer Gewissen! Denkt mal selber!“ kommentierte und innerhalb von fünf Minuten dutzende zustimmende Kommentare bekam. Klar, ich will hier nicht potentielles Opfer und potentiellen Täter vertauschen (ich als Mann bin der potentielle Täter), aber wie soll ich mich den bilden und informieren, wenn mir niemand dabei behilflich sein will?

  7. Julia Seeliger sagt:

    Luhmann lesen. Oder so.

  8. zorafeldman sagt:

    meinem vor-kommentator möchte ich mich nicht anschließen. ich habe ähnliche erfahrung wie du mit dem mann, mit dem ich seit 11 jahren zusammen und seit 7 1/2 jahren verheiratet bin. dass ich meinen namen behalten habe, war nie ein problem, an der arbeitsteilung mit kindern und haushalt gibt es selbst in den besten beziehungen immer mal wieder was zu diskutieren (meine eltern hatten eine echt emanzipierte beziehung in dieser hinsicht, und trotzdem kam das thema „wer macht was“ immer mal wieder auf… das ist der ewige treppenwitz guter beziehungen…)
    aber mein mann kommt z.b. im vergleich zu mir aus einem sehr traditionellen haushalt, und trotz aufgeschlossenheit und echter menschlicher intelligenz – im abstrakten und theoretischen zumindest – kommen wir dennoch immer mal wieder an punkte, wo er sagt „du gehst mir mit dem feministenthema auf den geist!“ und ich dann kontere „was meinst, wie es mir auf den geist geht, dass ich das thema überhaupt haben muss!“

    wobei es am endpunkt unserer diskussionen meist weniger darum geht, dass er nicht versteht oder akzeptiert, auf was ich sensibel reagiere, sondern er nicht nachvollziehen kann, welche bedeutung es für mich hat – besonders, seit wir eine tochter großziehen.
    ich bin immer mal wieder an einem punkt, an dem ich resignieren möchte – aber schlussendlich denke ich, dass es im leben in einer beziehung nicht darum geht, einen punkt zu erreichen, an dem keine differenzen mehr da sind, sondern wie mit den differenzen umgegangen wird. so muss ich einfach hinnehmen, dass mein mann eben manchmal genervt ist, und mit manchen sachen lasse ich ihn auch in ruhe. an anderen punkten versuche ich es einfach immer wieder mit neuen aspekten der alten themen.
    zu sagen, das leben ist kampf, ist mir zu traurig, aber es ist eins definitiv nicht: ein film, in dem ein, zwei pathetische monologe gehalten werden und dann ist die welt plötzlich ein besserer ort. stattdessen wird die welt nur dann besser, wenn wir permanent versuchen, sie besser zu machen. mit unseren handlungen und eben manchmal auch damit, unseren lieben auf den geist zu gehen.

  9. Michelle sagt:

    Wenn die persönliche Ekel-Grenze einer männlich gelesenen Person blutigen Ausfluss einschließt ist das ein politisches und sogar emanzipatorisches Problem?

    • Kinch sagt:

      OT: Ich bin immer noch davon fasziniert, dass das anscheinend ein wiederkehrendes Thema ist?

    • sturmfrau sagt:

      Ich schätze, das ist schwierig zu beantworten. Schließlich wissen wir nichts über die Beweggründe des Mannes. Es kann auf der einen Seite sein, dass er sich der Auseinandersetzung mit den völlig normalen Körperfunktionen seiner Freundin verweigert, weil nach wie vor das Bild vorherrscht, Frauen seien während ihrer Periode irgendwie dreckig, und man solle möglichst wenig davon merken müssen. Das Klischee ist ja nach wie vor sehr verbreitet und wird auch durch die Werbung sehr geschürt, die uns allen vorbetet, bitte möglichst weder zu riechen noch sichtbar irgend etwas abzusondern.

      Andererseits kann’s auch eine reine Charakterschwäche sein. Die eigene Freundin als „bäh“ zu bezeichnen, finde ich reichlich haarsträubend, zumal die Körperausscheidungen der Männer nun auch nicht aus Rosenwasser bestehen. Das ist schlicht und ergreifend daneben. Und über diese Dinge ganz offen zu reden, ist ja auch noch mal eine andere Gewichtsklasse, als dem Partner das Mensblut als Cocktail zu servieren (wovon auch ich als Frau Abstand nehmen würde).

      Aber ich sag’s mal so: Meines Erachtens hat jemand schon einen ziemlichen Knacks, wenn er im Erwachsenenalter noch nicht mit Vorgängen zurechtkommt, die einfach ganz normal sind. Man möchte einfach nur sagen: „Junge, werde erwachsen!“

  10. Young-Hee sagt:

    Danke für den Artikel. Dieses Thema beschäftigt mich auch unaufhörlich. Wobei mein Freund politisch insgesamt sehr viel weiter rechts steht als ich, was bei uns der häufigste Grund für Streits ist. Ab und zu kommt es vor, dass ich ihn überzeugen kann, Empathie in ihm wecken kann und dann habe ich die Hoffnung, dass er einen anderen Kurs einlegt. Insgesamt ist es aber einfach nur nervenaufreibend. Womöglich wäre ich auch gar nicht mit ihm zusammen gekommen, wenn ich damals nicht so unpolitisch gewesen wäre.
    Vielleicht quälen wir uns zu sehr damit und sollten uns um unserer eigenen Gesundheit willen nicht weiter mit Menschen mit reaktionären Ansichten umgeben. Andererseits lieben wir sie und sie sind nicht per se schlecht. Wenn wir uns nur mit „fortschrittlichen“ Menschen umgeben, für wen können wir dann noch gutes Vorbild sein und unsere Message verbreiten?

  11. sturmfrau sagt:

    Beziehung ist Entwicklung. Da stimme ich Kitty Koma zu. Ich hatte immer schon eine relativ sensible Sicht auf Geschlechterverhältnisse, und der Gatte hat sie sich nicht zu eigen gemacht, weil ich mir das von ihm gewünscht hätte, sondern, weil er anhand meiner erlebten Verletzungen in diesem Themenbereich begriffen hat, wie existenziell diese Fragen sind. Er hat inzwischen ein sehr scharfes Auge dafür, ohne dass ich ihn umerziehen musste. Wir diskutieren, wir reiben uns aneinander, sind unterschiedlicher Meinung, aber eine Kompromissfindung gehört überall dort dazu, wo Menschen aufeinandertreffen, nicht nur in Paarbeziehungen. Alles andere ist Diktatur.

    Insbesondere finde ich es schlimm, wenn Frauen Männer zu besseren Menschen erziehen wollen. Wenn das Interesse eines Mannes am Wohlergehen der Partnerin/des Partners aufrichtig ist, dann ist er in der Lage, die Perspektive zu wechseln, ohne sich selbst zu verleugnen. Das gilt auch andersherum. Wenn sich dieses Mitgefühl und der Perspektivwechsel nicht einstellen, nützt auch alles Geschwafel von „Wenn Du mich wirklich lieben würdest, würdest Du…“ nichts. Dann muss man sich ausklinken und mit der bitteren Wahrheit abfinden, dass man nicht zu diesem Menschen passt. Gemeinsam einen Weg zu gehen ist nicht immer ganz einfach, aber was soll’s, so ist das Leben.

    Dazu gehört aber halt auch, auf die Gefahr von Disharmonie hin mal auszusprechen, was einen stört. Man kann vom Partner beispielsweise nicht erwarten, dass er mehr im Haushalt übernimmt, wenn er gar nicht weiß, dass man das Verhältnis unangemessen findet. Dann muss man sich streiten und neue Positionen finden. Ich finde (und sehe an mir selbst), dass Frauen heute teilweise immer noch nicht gelernt haben, zu fordern und dafür in Kauf zu nehmen, mit dem Unbehagen der Disharmonie klar zu kommen. Lieber halten wir das Maul, werden von allen liebgehabt und beklagen uns hinterher bei der besten Freundin, wie unverstanden und für selbstverständlich genommen wir uns fühlen. Nur ändern wird sich nichts. Klappe auf, klipp und klar in einem Satz sagen, was man will – das hat selten geschadet.

    Natürlich muss man die andere Perspektive in einer Beziehung mit im Blick behalten. Wäre ich ein Mann, würde ich auch nicht einsehen, wieso immer ich die toten Vögel von der Terrasse tragen und die Spinnen beseitigen soll, wieso nur ich die Hecke schneiden und den Müll wegbringen soll. Frauen sollten sich dann halt auch nicht zu schade sein, sich die Finger dreckig zu machen oder sich mal einen fetten Muskelkater zu holen.

    Und neulich berichtete mir der Gatte davon, wie ihm eine Kollegin mit der Bemerkung an den Bauch fasste, er habe ja ganz schön abgenommen. Letzteres stimmt, aber ersteres war ein krasser Übergriff, den ich als Belästigung empfunden hätte, wäre mir das umgekehrt mit einem Kollegen passiert. Und der Gatte fand es auch übergriffig. Gleichberechtigung umfasst eben auch die Berechtigung des Gegenübers, nicht nur die eigene. Das darf ich dann auch nicht kleinreden, sondern muss es als das anerkennen, was es ist. Das gehört dazu, wenn man sich auf Augenhöhe begegnen will.

  12. h_in_b sagt:

    was ich bemerkenswert finde, sind die „abspaltungen“ die hier vorgenommen werden. „er macht zwar doofe bemerkungen“ aber „ist sonst sozial, nett und höflich“.

    wenn jemand dumme bemerkungen macht, passt das eben GERADE NICHT in die zweite definition. punkt. aus. ende. wer sich dafür entscheidet, symptome einfach nicht sehen zu wollen – soll das gerne tun. ich verzichte darauf, und gern auch auf menschen in meiner nähe, die glauben (ab)wertende kommentare über andere machen zu müssen.

    argumente werden vorgetragen. und dann wird die luft ziemlich schnell sehr dünn. denn: welches argument gibt es denn bitteschön, frauenfeindlich, rassistisch usw. zu sein???

    reaktionäre einstellung ist die nette beschreibung von: ich bestehe auf einem wertesystem, dass argumentativ nicht zu halten ist, andere nicht als gleichwertig ansieht (und wohlmöglich den eigenen hochstatus auch noch feiert) und bitte unhinterfragt zu schlucken ist. eine quasi-religion mit eingebauter herrschaftsfunktion, die über abwertung von anderen funktioniert.

    solche menschen lass ich nicht neben mir schlafen.

    cheers, h

  13. L sagt:

    Hey,

    danke für deinen post :) nen thema über das ich auch schon oft nachgedacht habe…

    ich habe ein ähnliches problem wie du, sehr, sehr ähnlich.
    es sind kleine knaller und doch kommen sie in schöner regelmäßigkeit und ich weiß nicht so recht wie ich damit umgehen soll. bei uns ist lustigerweise das rasieren zum beispiel so ein riesending, der herzensmensch ist das schon seit 5 jahren und ich habe lange, lange zeit jedes häärchen vernichtet und brav die pille geschluckt (war aber auch 15 als das alles anfing…) und irgendwann war dann damit schluss. die pille konnte er verstehen und wir haben zusammen alternativen gefunden, aber das rasieren? er hasst es. bittet mich, sagt mir, dass er das einfach nicht schön finde und es nicht gesellschaftlich bedingt sondern seine eigene sicht sei und so weiter. nörgelt und am ende stehe ich dann doch mit tränen der wut in den augen und vor den scheiß einmal rasierer bei rossmann.
    ein komischer moment: ich will nicht, aber ja, ich will auch, dass mein partner genauso viel spaß hat an sex und zärtlichkeiten wie ich. was zählt jetzt mehr? wieviel opfer gehen klar und wo ist eine schmerzensgrenze?

    dazu kommt immer noch das ich mir denke, dass ich eben auch keinen anspruch dadarauf habe immer richtig zu sein.
    das fällt mir irgendwie auch bei der formulierung „reaktionäre einstellungen“ auf, ist das nicht ganz schön arg wertend, sich vielleicht auch über den partner stellend?

    oder ist das auch meine anerzogene rolle seiner meinung mehr gewicht einzuräumen?

    auf jeden fall ein spannendes thema, vielen dank fürs ansprechen!!

  14. Ri sagt:

    Schwieriges, aber wichtiges Thema. Die Gedanken, die ich mir hier mache, kreisen meist um das Thema Familie – da gibt es ständig Reibereien, in jede Richtung. Aber man kann sich schlecht eine andere Familie suchen und ich will das auch gar nicht. Aber wie man diese Probleme dann im Alltag navigiert ist unglaublich schwierig.

    Das Thema „Beziehung“ ist für mich da auch ein schwieriger Faktor. Ich bin bisexuell und denke, dass ich mich in Beziehungen mit Frauen oft leichter tue, weil ich eben nicht um Grundüberzeugungen streiten muss. Oder lerne ich einfach seltener Männer kennen, mit denen es ähnlich wäre? Jedenfalls habe ich das Thema Feminismus und/oder sexuelle Orientierung bisher in jeder Beziehung als entscheidend und schwierig empfunden. Und ich merke, dass ich immer weniger dazu bereit bin, dort Kompromisse bei meinen Grundüberzeugungen einzugehen – das schränkt aber irgendwie auch den „Partner-Pool“ ein.

    Gleichzeitig denke ich, dass man auch sich selbst in Beziehungen immer kritisch hinterfragen sollte. Ich spiele noch viel zu gerne und oft „Prinzessin“ -> vielleicht erweckt dann eben auch das die falschen Vorstellungen?

  15. Klaus Anonymos sagt:

    Vielleicht gibt es ja auch Dinge, die du nicht an dir selber siehst und bei einer genaueren Betrachtung ebenfalls nicht allen hehren Ansprüchen gerecht werden. Vielleicht will er auch ein Stück weit er selber bleiben und „kleine“ Fehler behalten. Ob rasieren sein muss oder nicht würde ich nicht mehr nach Geschlechtern aufteilen. Da gibt es sicher auch mittlerweile Frauen/Mädchen, die einen (im Intimbereich) unrasierten Mann unattraktiv finden. Meiner Meinung nach bringst du die Geschlechterfrage auf, weil du sein Verhalten auf sein „Mann-sein“ reduzierst. Richtig wäre aber von seinen Vorlieben zu sprechen. Ob jemand Menstruationsblut eklig, schön oder egal findet, ist sein/ihr Geschmack. In einer Beziehung ist es immer schwierig, wenn man merkt, dass man, nach blinder Verliebheitsphase, halt meistens doch nicht zu 100% zueinander passt. Kompromisse sind unausweichlich und manchmal hilft es auch über Dinge hinwegzusehen und sie nicht zu hoch zu hängen.

  16. A. sagt:

    Ja, schwierig, sehr schwierig, sehr bekannt, alles 1000 Mal erlebt, wie wahrscheinlich jede Frau*, die je in einer wie auch immer gearteten emotionalen Beziehung mit einem Mann* gesteckt hat.

    Was mich derzeit gerade zu der Frage führt, ob Frauen* (mit feministischem Bewusstsein) und Männer*, die in dieser Gesellschaft (oder jeder anderen patriarchalischen) sozialisiert wurden, überhaupt zueinander „passen“.
    Je länger/intensiver ich mich mit dem ganzen -ismen-Scheiß auseinandersetze und je mehr ich feministische Perspektiven zu meiner Identität mache, umso weniger kompromissbereit werde ich und umso verletzender empfinde ich diese von Dir beschriebenen Abweichungen, die sooo oft an irgendeinem Punkt und in irgendeiner Form kommen. Können auch subtiler sein, aber allermeistens bleibt so ein unreflektierter Rest, über den keine befriedigende Diskussion möglich ist. Klar, das Problem ist halt, dass dann meistens schon irgendwelche Gefühle im Spiel sind und mensch sich dann gern selbst überzeugt mit „solange es in der Realität, in der gelebten Beziehung anders ist, solange er doch kocht und solange er mich ernst nimmt, solange sich das nicht in der Realität niederschlägt zwischen uns, ist es ja vielleicht nicht so wichtig, nur eine Meinungsverschiedenheit…..dass das eigentlich Quatsch ist, ist klar, aber was meist unklar bleibt, ist die Konsequenz, die eine daraus ziehen soll/kann.

    Eine Antwort darauf hab‘ ich natürlich auch nicht, außer eben, dass sich für mich die Frage stellt, ob ich Beziehungen mit Männern* so überhaupt noch führen kann/will.